Montag, 20. Januar 2025

Infinity Pool (2023)

https://www.imdb.com/de/title/tt10365998/

James (Alexander Skarsgård) und Em (Cleopatra Coleman) genießen in dem abgelegenen Inselresort La Tolqa einen perfekten Urlaub. Mit den unberührten Stränden, dem außergewöhnlichen Personal und dem feinsten Essen könnte der Urlaub nicht schöner sein. Doch unter der Führung der verführerischen und geheimnisvollen Gabi (Mia Goth) wagen sie sich aus dem Resortgelände heraus und finden sich in einer Kultur voller Gewalt, Hedonismus und unsagbarem Horror wieder. Nach einem tragischen Autounfall steht die Welt am nächsten Tag auf dem Kopf. Erst jetzt wird James und Em klar, dass auf La Tolqa andere Gesetze gelten. Sie werden daraufhin mit der Null-Toleranz-Politik für Verbrechen konfrontiert: Entweder wird man hingerichtet, oder, wenn man reich genug ist, um es sich leisten zu können, kann man sich stattdessen selbst beim Sterben zusehen.

Bereits in "Pearl", ein Prequel zu Ti Wests Retro-Horrorfilm "X", in dem die außergewöhnliche Mia Goth die Hauptrolle spielt und auch Co-Autorin war, bewies sie, dass sie das Zeug zur Horror-Ikone der 2020er hat. Goth hat eine einzigartig fesselnde Leinwandpräsenz und spielt in "Infinity Pool" eine weitere atemberaubenden Rolle, die geradezu vor spielerisch gefährlichem Schwung sprüht. Sie mag in dieser kanadisch-ungarisch-kroatischen Koproduktion hinter dem schwedischen Star Alexander Skarsgård zurückstehen, aber das sollte nicht täuschen - es ist ihre anarchische Energie, die den köstlich extravaganten und satirischen dritten Spielfilm des Drehbuchautors und Regisseurs Brandon Cronenberg (der Sohn von David Cronenberg) antreibt.

"Wo sind wir?", fragt James (Alexander Skarsgård) und starrt von der Terrasse eines exklusiven Hotels auf einen anonymen, glückseligen Strand auf einer abgelegenen Ferieninsel. James, ein unbedeutender Autor, dessen Debütroman "The Variable Sheath" seine Existenz seinem Schwiegervater, einem Medienmogul, verdankte, ist seit sechs Jahren gesperrt. In diesen Tagen kann seine reiche Frau Em (Cleopatra Coleman) nicht sagen, ob er schläft oder wach ist, besonders nicht in den verträumten Grenzen dieses schicken Resorts - einem weißen Palast in einem armen Land, wo die Ruhe der Superreichen gelegentlich von lokalen Demonstranten gestört wird, die größtenteils durch Stacheldrahtzäune auf Abstand gehalten werden. James ist offenbar hierhergekommen, um sich "inspirieren zu lassen", und er ist geschmeichelt und verblüfft zugleich, als ein Mitgast, der Schauspieler Gabi (Mia Goth), ihm sagt: "Ihr Buch hat mir gefallen!". Bald darauf führen sie und ihr Mann Alban (Jalil Lespert) James und Em aus der Sicherheit des Resortgeländes hinaus an entlegenere Orte, wo Würstchen gebraten und ein Cocktail aus Sperma und Pisse über das Land verschüttet wird. Als James auf der betrunkenen Heimfahrt einen Bauern überfährt, beharrt Gabi darauf: "Keine Polizei -  Das ist kein zivilisiertes Land." Doch am nächsten Tag findet sich James in Gewahrsam wieder, wo das lokale Auge-um-Auge-Rechtssystem eine bizarre Ausstiegsklausel vorsieht; eine Chance für wohlhabende Kunden, "gedoppelt" zu werden - ihren eigenen stellvertretenden Tod mitzuerleben und zu durchleben.


"Haben Sie Angst, dass sie den falschen Mann erwischt haben?", fragt ein anderer Gast, der sorglos mit Geld umgeht. Diese Frage (die ein zentrales Thema von Christopher Nolans "The Prestige" widerspiegelt) zieht sich durch Cronenbergs Film - eine Dostojewski-artige Geschichte von Doppelgänger-Paranoia, erzählt mit einer stilvollen filmischen Freude, die an Gaspar Noé oder Nicolas Winding Refn erinnert. So wie Reichtum und Armut auf dieser Insel aufeinanderprallen, so kämpfen hier auch geteilte Seelen, die in einem maskierten Kampf mit sich selbst gefangen sind, während die Regenzeit immer näher rückt.

Wie sein Vorgänger "Possessor" behandelt "Infinity Pool" Probleme übertragener Identitäten mit einer klebrigen Taktilität, die die Dinge eher gefühlsbetont als intellektuell hält. Schon in den Eröffnungsszenen, in denen Kameramann Karim Hussain die Welt auf den Kopf stellt, während Tim Heckers schwindelerregende Filmmusik dröhnt und stöhnt, ist klar, dass uns ein berauschendes Erlebnis bevorsteht. Wie im Hotel California kann James einchecken, wann immer er will, aber er kann nie wieder gehen - weder durch die Umstände noch durch seinen eigenen verdrehten Willen. Kein Wunder, dass eine zunehmend traumatisierte Em fragt: "Ist das ein Traum?" und anmerkt: "Das würde mehr Sinn ergeben."

Sicherlich steckt hier eine alptraumhafte Logik am Werk, die den ödipalen Verrenkungen und halluzinogenen Hardcore-Visionen zugrunde liegt, die unseren Antihelden allmählich überwältigen. Aber es gibt auch eine pechschwarze Spur von bürgerlicher Hetze, die am urkomischsten zum Ausdruck kommt, nachdem James schließlich die Fassung verliert, als er mit vorgehaltener Waffe eine schreckliche Rezension seines schrecklichen Romans verlesen muss. Er mag mit dem Töten Unschuldiger einverstanden sein, aber das geht einen Schritt zu weit.

Im Mittelpunkt steht Goth, die die Leinwand scheinbar komplett verschlingt. Ob sie nun James schlau dazu verleitet, seinem eigenen Ego in ihre Arme zu folgen, oder wie ein Racheengel von der Motorhaube eines offenen Autos schreit, ihre Fähigkeit, vom Understatement zum Wahnsinnigen zu wechseln, ist atemberaubend. Dan Martins schmatzendes Spezial-Make-up und figurative Effekte halten das Publikum vielleicht auf Trab, aber es ist Goth, die für das wahre Feuerwerk sorgt.

Und was Cronenberg betrifft, dessen Vater David mit Filmen wie "Rabid", "Videodrome" und "Die Fliege" Pionierarbeit im Genre des Body-Horrors leistete, so geht er weiterhin seinen eigenen Weg und baut auf dem Versprechen seines unterschätzten Debütfilms "Antiviral" aus dem Jahr 2012 auf, ein Werk zu schaffen, das auf unglaublich sarkastische Weise wächst und mutiert. Es ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber wenn man tief in "Infinity Pool" eintaucht kann man spätestens beim Wiedersehen die Erfahrung höllisch genießen.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Turbine
Poster/Artwork: 4 Film/Film Forge/Elevation Pictures

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