Dienstag, 5. Februar 2019

[KINO] Glass (2019)

https://www.imdb.com/title/tt6823368/

Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) ist noch immer auf freiem Fuß und hochgefährlich. Der junge Mann, der mehrere Persönlichkeiten in sich vereint, hat schon einige Menschenleben auf dem Gewissen und die Gefahr besteht, dass es schon sehr bald mehr werden, denn in ihm schlummert die Bestie, die gefährlichste seiner Persönlichkeiten. Der unverwundbare David Dunn (Bruce Willis), der seit dem Krebstod seiner Frau gemeinsam mit Sohn Joseph (Spencer Treat Clark) eine Sicherheitsfirma betreibt, heftet sich deshalb an seine Fersen, um ihm das Handwerk zu legen. In einem Lagerhaus kommt es zum Showdown zwischen Crumb und Dunn, der jedoch von einer Spezialeinheit der Polizei unterbrochen wird. Nun müssen die beiden Männer die Psychiaterin Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) davon überzeugen, dass sie keine Superkräfte haben – ansonsten werden sie für immer weggesperrt. Mit ihnen ihm Raum sitzt ein weiterer Patient mit einem vermeintlichen Superheldenkomplex: Elijah Price alias Mr. Glass (Samuel L. Jackon)...

"Glass" bildet den Abschluss einer Trilogie, die eigentlich gar keine ist, bzw. vermutlich nie so geplant war. Und wenn doch, dann war es die Vision eines ganz großen Regisseurs, der viel Vertrauen in sein Werk / sein Schaffen und vor allem aber auch in sein Publikum setzte. Als im Jahr 2000 "Unbreakable" in die Kinos kam dachte wohl keiner der Zuschauer mit nur einer Silbe daran, dass dies nur der Auftakt zu einer noch größeren Geschichte sein könnte. Warum auch? "Unbreakable" war in sich abgeschlossen und als "Split" 2016 - sechzehn Jahre später(!) - nach einer viel zu langen cineastischen Tiefphase M. Night Shyamalans die Zuschauer begeisterte, war es hier nur ein kurzer Moment, der etwas viel Größeres anteaserte. Aber so ist Shyamalan eben. Er überrascht den unvorbereiteten Zuschauer meist mit etwas, was einem den Mond offen stehen lässt. Und vor allem spaltet er das Publikum.


Und auch da nimmt sich "Glass" nicht raus: der Film spaltet die Kinogänger. Denn M. Night Shymalan interessiert überhaupt nicht, was der Zuschauer erwartet, ihn interessieren nicht irgendwelche Sehgewohnheiten oder gar Erwartungshaltungen. Er erzählt seine Geschichte und entweder kauft man es ihm ab, kann diesem Werk etwas abgewinnen und denkt darüber nach, oder man verlässt enttäuscht den Saal. Nun muss man wissen, dass alle 3 Filme in gewisser Art und Weise Superheldenfilme sind. Wobei in keinem der Filme wirklich jemals klar wird, dass oder ob da Superkräfte im Spiel sind. "Glass" wird somit nicht der Film sein, den die meisten vielleicht erwarten. Er hat den enorm ruhigen (und guten) Erzählstil von "Unbreakable", weswegen der zweite Akt auch der stärkste Aspekt des Films ist. Der Film beginnt recht straff, dann wird jedoch jegliches Tempo herausgeholt. Man kann davon halten was man will, aber es ist irgendwie faszinierend der Entwicklung der Story zuzuschauen, denn trotz einiger Hinweise ist es nicht ganz klar, wohin die Geschichte treibt. Der Film dümpelt (im positiven Sinne) teils ein wenig vor sich hin, wird in einigen Momenten zum Kammerspiel.

Und doch schaut man immer ganz genau hin, denn man hat das Gefühl, man könnte irgendwo etwas übersehen. Es ist erfrischend, dass es Leute wie Shyamalan gibt, die sich noch trauen, ihre ganz eigene Geschichte auf ihre ganz eigene Art und Weise zu erzählen, mit großartigen Bildern und viel Liebe zum Detail. Das ist absolut nicht perfekt, aber das soll es wohl auch gar nicht sein. Irgendwie ist die Auflösung auch denkbar einfach, doch auch darum geht es nicht, es geht um den Weg dorthin. Die Dialoge sind brillant, die Kamera sogar herausragend und die Atmosphäre in der Anstalt ist absolut mitreißend. Der Film hat ein paar kleinere Patzer und seltsame (fragwürdige) Szenen, die wohl nur bei einer Zweitsichtung geklärt werden können - oder eben nicht, und besonders beim dritten Akt verhaut sich M. Night Shyamalan ein wenig mit seinen Twists, die alle weder Fisch noch Fleisch sind. Zudem wirft er, wie auch in den ersten 20 Minuten, ein wenig zu viel Action rein, was gar nicht nötig gewesen wäre. Das Ganze macht aber den Film keineswegs kaputt, weil die handwerkliche Arbeit und der ruhige Erzählstil für beste Unterhaltung sorgen.


Bei dem Cast kann man auch durchaus die Frage stellen, wer nun der Star des Films ist. James McAvoy, ohne wenn und aber. So schön es auch ist, Bruce Willis und Samuel L. Jackson wieder in ihren Rollen aus "Unbreakable" zu sehen, aber keiner kann mit dieser außergewöhnlichen Schauspielkunst von James McAvoy mithalten, die schon fast Oscar-würdig ist. Binnen weniger Sekunden wirkt er wie ein völlig anderer Schauspieler und das ist wohl einzigartig. Bruce Willis kann zeigen, dass er noch immer ein guter Schauspieler ist, auch wenn sein Charakter ein wenig unterfordert wirkt, wofür er selbst aber nichts kann, da sein Charakter einfach gegen Kevin total untergeht. Samuel L. Jackson als Mister Glass ist auch beim zweiten Mal großartig. Er spielt undurchsichtig und seine Motive sind am wenigsten zu durchschauen. Anya Taylor-Joy als Casey Cooke ist in jeder einzelnen Szene wundervoll und nach ihrer Rolle in "Split" erneut eine eindeutige Bereicherung. Einzig Sarah Paulson als Dr. Ellie Staple ist eine leichte Fehlbesetzung. Sie will irgendwie nicht in diese Charakterrolle passen. Sie spielt gut, aber der letzte Funke fehlt.

Auf dem Weg, den "Glass" nun mit seinen Akteuren beschreitet, werden also viele kleine Puzzleteile aus den Vorgängerfilmen, teilweise mit Rückblenden aus den Filmen selbst, zusammengesetzt, wodurch auch die eine oder andere Wendung absolut Sinn ergibt, auch wenn die eigentliche Auflösung sicher etwas konventionell daherkommt. Und damit wären wir beim Thema: man muss die beiden Vorgänger zwingend geschaut haben, denn um wirklich alles zu verstehen, ist vor allem "Unbreakable" immens wichtig. "Glass" knüpft nicht nur hier an, sondern es gibt sehr viele Andeutungen, es wird sehr viel eingestreut, was man nur dann komplett nachvollziehen (und sich daran erfreuen) kann, wenn man den ersten Film gesehen hat und das idealerweise nicht zuletzt vor 19 Jahren. Diese Verweise sind zwar nicht zwingend notwendig, um "Glass" komplett nachvollziehen zu können, aber nur wenn man "Unbreakable" wirklich vor Augen hat, bereitet der Abschluss der Trilogie wirklich Freude.


Unterm Strich ist "Glass" ganz sicher kein ultimatives Meisterwerk und die ersten Reaktionen / Reviews zeigen ja auch, dass manche rein gar nichts damit anfangen können. Man muss Shyamalan und seine Art mögen, vor allem natürlich auch mit "Unbreakable" etwas anfangen können. Dann ist "Glass" sehenswert. Außergewöhnlich, extrem ruhig und mit einer sehr guten Regie-Arbeit gesegnet. Es ist daher einfach schwer nachzuvollziehen, wie man diesen Film als langweilig betiteln kann. Gerade der gesamte zweite Akt in der Psychiatrie ist so spannend und intensiv, dass man geradezu in den Film hinein gesaugt wird. Man hätte sogar gänzlich auf die Actionszenen verzichten und den Film ausschließlich auf Dialoge beschränken können. Das Finale leistet sich allerdings auch einen dicken Bock und die Twists sind etwas haarsträubend und mit knapper Not noch hinnehmbar. "Glass" fasziniert dennoch. Nur die perfektionierte Raffinesse eines "Unbreakable" hat er nicht, weil er am Ende seinen hervorragenden Stil ein wenig verliert. Übrigens: ganz großartig ist es, den Filmsohn (Spencer Treat Clark) von Bruce Willis aus dem Jahr 2000 jetzt auch als erwachsenen Schauspieler in eben dieser Rolle zu sehen. Nach "Glass" darf man gespannt sein, wohin der Weg von M. Night Shyamalan führt. Nachdem er bereits abgeschrieben war, hat er sich zurückgekämpft und sogar an den Kinokassen scheint es wieder ganz passabel zu laufen. Und das Kino braucht ihn auf jeden Fall.

8/10

Von WALT DISNEY Studios Home Entertainment gab es den Film exklusiv bei zavvi im limitierten Steelbook. Die Erstauflage beinhaltet den Film in 4K im Halbschuber.

Quellen
Inhaltsangabe: Universal Pictures / Buena Vista

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