Montag, 4. Februar 2019

México Bárbaro - Barbarous Mexico (2014)

https://www.imdb.com/title/tt3363888/

Acht junge, wilde Genre-Regisseurinnen und Regisseure haben sich versammelt, um der Sagenwelt ihres Landes furchterregendes Leben zu verleihen: Ihre Geschichten erzählen von Räubern, die auf ihrer Flucht von einem verführerischen Geist verfolgt werden. Sie zeigen, dass ein Joint einen diabolischen Fluch mit sich bringen kann, uralte schamanische Rituale und wie diebische Kobolde auch vor den intimsten Kostbarkeiten nicht haltmachen. Egal, ob auf der erschreckenden "Insel der Puppen", im unwirklichen Kratergebiet der mexikanischen Gebirgsregion oder bei einer Feier zum "Tag der Toten": Niemand ist sicher! "México Bárbaro" entführt in ein Land, das voll ist mit gierigen Legenden, welche die Menschen mit Grauen erfüllen. Von surrealem Grusel bis zu blutrünstigem Terror: In diesem Episodenfilm ist jeder Schrecken versammelt, den Mexiko zu bieten hat!

Filmische Anthologien haben in den letzten Jahren geradezu eine starke Renaissance erlebt. Egal ob man an die beiden "ABCs Of Death", "Southbound" oder die "V/H/S"-Trilogie denkt - sie alle zeigen, manchmal in einer größeren Geschichte verschachtelt, Episodenfilme in Kurzfilmlänge. Ganz egal, was davon man nun bevorzugt, von Low-Budget bis Hollywood-Mainstream, die Qualität reicht - unabhängig vom Budget - von grauenhaft schlecht bis ausgezeichnet. "México Bárbaro" (alias "Barbarous Mexico") bringt nun acht Regisseure aus Mexiko zusammen, um acht verstörende Horror-Geschichten zu erzählen. Da es sich um separate Kurzgeschichten handelt, die außerhalb dieser Kollektion nicht miteinander verwandt sind und in keine Rahmenhandlung eingebunden sind, kann man diese auch getrost einzeln bewerten.

"Tzompantli", geschrieben und inszeniert von Laurette Flores Bornn, macht den Anfang. Menschen verschwinden und es gibt nur Gerüchte über ihren Verbleib. Ein Mann riskiert seine eigene Sicherheit, um sich mit einem Informanten zu treffen, der sagt, er wisse, was da geschieht. Anstatt der typischen Drogenkartellgeschichte, die man vielleicht erwartet hätte, erzählt der Informant eine viel beängstigendere Geschichte und führt unseren mutigen Detektiv zu einer Werkstatt, in der ein verstörendes Geheimnis wartet. Das ist dann für den Auftakt auch eine ansprechend gruselige Geschichte, die in eine andere Richtung geht, als man zunächst erwarten würde - was immer ein Plus ist. Ein guter Einstieg mit gutem Grusel. Allerdings sollte man tunlichst vermeiden, den Begriff "Tzompantli" zu googeln - es könnte den Spaß an dieser Geschichte verderben. An zweiter Stelle steht "Jaral de Berrios", Regie von Edgar Nito und geschrieben von Edgar Nito und Alfredo Mendoza. Ein paar Diebe, von denen einer mit einem Bauchschuss schwer verletzt ist, suchen und finden in einem verlassenen Gebäude Schutz. Der Verletzte sagt, der Ort sei verflucht, aber der andere wendet sich ab und schaut sich um. Sehr bald erfahren man, wie gefährlich dieser Ort für die Anwesenden wirklich ist. "Jaral de Berrios" ist eine großartige, übernatürliche / geisterhafte Geschichte mit einer guten Balance aus Angst und Verrücktheit, ganz zu schweigen von Brutalität. Genau mit der richtigen Laufzeit, passt.

Ein Bereich, in dem "México Bárbaro" definitiv Erfolg hat, ist seine Vielfalt. Es gelingt ihm, das Sub-Genre von Story zu Story zu verändern, die Gänge so zu wechseln, sodass alles relativ frisch bleibt, aber auch nicht zu sehr, dass es sich wie ein unzusammenhängendes Chaos anfühlt. Während nun die ersten beiden Geschichten dunkel und ernst waren, trägt "Drena", geschrieben von Aaron Soto, ein wenig blöden Humor und viel Gemeinheit zum Film bei. Ein Mädchen findet eine Leiche in einem Graben und in seinen Fingern befindet sich noch ein letzter Rest einer Zigarette, welchen sie natürlich mit nach Hause nimmt. Im Laufe der Nacht langweilt sie sich und entschließt sich, das Ding zu rauchen, was eine kleine Kreatur veranlasst, aus ihrer Wand zu kommen. Diese Kreatur verlangt das Menstruationsblut ihrer Schwester und wenn dieses Blut nicht innerhalb von zwölf Stunden übergeben wird, saugt es ihre Seele aus ihrem Hintern. Das kann man ohne weiteren Kommentar stehen lassen, aber dies ist erstaunlicherweise komisch und schmutzig zugleich. Ein anderes komisches Segment folgt, "La Cosa mas Preciada", geschrieben von Isaac Ezban. Dies ist die Geschichte eines jungen Paares, das ein Zimmerchen für eine Nacht gemietet hat, wo sie zum ersten Mal Sex haben möchten. Wie man es erwarten würde, werden sie unterbrochen, in diesem Fall von einem alten Mann, der auf dem Gelände arbeitet. Er sagt, dass sie eigentlich nicht da sein sollten, und warnt sie, nicht nach Einbruch der Dunkelheit das Zimmer zu verlassen, sondern auch nichts draußen zu lassen, da "sie" es stehlen werden. Sie ignorieren seine Warnungen (wer hätte es geahnt?), und schon bald leiden sie auf sehr unangenehme Weise daran. Diese Geschichte ist genauso doof wie böse.

Die ganze Dummheit, die in den beiden vorangegangenen Geschichten inne lag, wird in Lex Ortegas "Lo Que Importa es lo de Adentro" völlig aus dem Fenster geworfen. Er konzentriert sich auf eine Mutter und ihre zwei Kinder, die sich beeilen müssen, um am Morgen fertig zu werden. Während es den Anschein hat, dass der kleine Junge in den Augen der Mutter nichts richtig machen kann, wiederholt das kleine Mädchen immer wieder "Boogey!", Während es auf einen Mann draußen zeigt, etwas, das den Zorn seiner Mutter anzieht. Wenn sie an dem Mann vorbeigehen, ist er nett zu Mutter und Sohn, zieht aber vor dem kleinen Mädchen Grimassen. Am späten Nachmittag geht der kleine Junge hinaus, um Fußball zu spielen und kommt nie wieder... An dieser Stelle würden Spoiler viel zu viel verraten, aber was als nächstes passiert, ist verstörend und unerwartet, um es gelinde auszudrücken. Der Autor und Regisseur Jorge Michel Grau bringt als sechsten Beitrag "Munecas" ins Spiel. Er folgt einer Frau, die, wie man schnell erkennen kann, gerade etwas Schrecklichem entkommen ist und sich vor jemandem versteckt. Sie wurde geschlagen, ist blutig, dreckig und müde, aber sie kämpft immer noch mit einem Mann, der doppelt so groß ist. Dieser Teil von "México Bárbaro" ist außerordentlich brutal, aber erst wenn man erkennt, woher der Mann kam und was dort vor sich geht, erkennt man die Abgründigkeit und Verwirrung, mit der Grau bis dahin den Zuschauer zu narren wusste. Nicht übel.

"Siete Veces Siete", eine von Paulo Rique verfasste und von Ulises Guzman inszenierte Geschichte beginnt verrückt und wird immer verrückter. Sie beginnt mit einem Mann, der in ein Leichenschauhaus geht, eine Leiche zu seinem Lastwagen bringt und dann zu einem Teich mitten im Nirgendwo fährt. Von dort wenden sich die Dinge ins Surreale. Man sieht - unter anderem - einen brennenden Mann auf einem Pferd, eine nackte Frau, aus der Spinnenbeine herausbrechen und eine wiederbelebte Leiche. Die Art und Weise, wie diese seltsamen Gestalten durch eine Kombination aus Flashbacks und aktueller Handlung zusammengefügt wird, liefert eine Geschichte, die auf ihrem Höhepunkt eine der brutalsten, heftigsten und surrealen Rache-Geschichten enthüllt, die man seit einiger Zeit gesehen haben dürfte. "México Bárbaro" endet mit der achten Episode, Gigi Saul Guerreros' "Dia de los Muertos", und der Erzählung von einer Frau, die erklärt, wie sie von ihrer Mutter gelernt hat, stark zu sein. In einem Raum voll wenig bekleideter junger Damen, die, wie man bald erfährt, alle in einem Nachtclub als Tänzerinnen beschäftigt sind. Nur heute Nacht fügen sie die Gesichtsfarbe und die Dekoration hinzu, die mit "Dia de los Muertos" (dem "Tag der Toten") einhergeht. So entgegenkommend diese Frauen für ihre meist männliche Klientel sind, werden sie sehr schlecht behandelt, beleidigt, befummelt und erniedrigt. Aber die Dinge werden sich gerade für die Gewalttätigen wenden - und das nicht zum Besten.

In "México Bárbaro" werden einige Segmente meisterhaft mit künstlerischer Vision behandelt und andere werden von einer schlechten CGI fast zerstört. Die Stile der einzelnen Regisseure reichen von Schwarz-Weiß bis hin zu körnigen Rückgängen im Grindhouse-Bereich und allem, was dazwischen liegt. Einige Kurzfilme sind in ihren kulturellen Wurzeln offensichtlich, während es ein paar anscheinend an etwas mangelt, was diese an Mexiko bindet, das einzige, was diese Segmente in irgendeiner Weise zusammenhält. Der herausragende Punkt ist Edgar Nitos "Jaral de Berrios". Sein kurzer Beitrag ist aus technischer Sicht richtig gut. Zwischen dem Sounddesign, den Visuals und dem Set erreicht Nitos schönes westliches Horrorsegment den gesamten Film aber viel zu früh. Aus der Perspektive der Geschichte gibt Nito gerade genug Futter, um mehr erforschen zu wollen. Er schreibt nicht genau, welche Legende er erforscht, gibt Ihnen aber trotzdem eine vollständige Erzählung. Dann gibt es mit Isaac Ezbans "La Cosa Mas Preciada", das bereits erwähnte Grindhouse-Stilsegment, das sich stark an den Horror der amerikanischen Achtziger orientiert. Er verbindet amerikanischen Stil mit den Maya-Geistern ("Alux"). Diese mythologischen Kreaturen sind traditionell kleine Kobolde, die mit dem Wald oder anderen natürlichen Umgebungen in Verbindung stehen. Ezbans Einstellung zu den Alux ist viel beunruhigender. Es ist klar, dass Ezban auf Humor setzt, aber der Mensch ist verzogen. Ezban schafft es, den Würgereflex der Zuschauer zu testen, und nie war man erleichterter, dass man sich auf die nächste Minute konzentrieren kann.  Der dritte Platz könnte Aaron Sotos "Drena" sein, der sich scheinbar nur um einen Menstruationsknebel dreht, der an inzestuöse Erotik grenzt. Ja, das ist verrückt. Sotos Kurzfilm scheint an keiner erkennbaren Tradition oder Legende zu fehlen und fühlt sich sowohl technisch als auch narrativ aus allen Segmenten am meisten unterentwickelt an.

Konzeptionell ist "México Bárbaro" allgegenwärtig. Ohne klare Regeln, um diese Segmente miteinander zu verknüpfen, leidet er am meisten unter seiner Inkonsistenz. Es sind trotz des guten Unterhaltungsfaktors zu wenige "Highs" und diese sind auch noch zu weit voneinander entfernt. Die "Lows" können trotzdem mit ihrer bizarren Herangehensweise bezaubern. Die wahre Enttäuschung lag bei den Segmenten, die nur einen Einblick in die Geschichte geben; diejenigen, die sich aufgrund ihrer fehlenden Darstellung als unvollendet und schamlos fühlten. Dies ist hart, gewalttätig und weitgehend unvorhersehbar. Als Feier der kulturellen Tradition, der Legenden und der Folklore aus Schrecken kann man dies als Erfolg werten. Noch nie war man neugieriger auf Mexikos Mythologie. So funktionieren alle Geschichten adäquat als Kurzfilme, und manche scheinen eben reif zu sein, um sich zu Filmen mit voller Länge auszudehnen (Edgar Nito, wenn Sie Ihr Segment bitte in ein vollständiges Feature umwandeln könnten, wäre das sehr zu begrüßen). Es gibt viel Blut und Gekröse, einige echte Angst-Momente und viele unerwartete Wendungen, die selbst den erfahrenen Zuschauer erreichen können. Empfehlenswert.

6,5/10

Von RAWSIDE/WICKED VISION erschien der Film im limitierten Mediabook, welches den ungeschnittenen Film auf BD und DVD beinhaltet und dazu mit jeder Menge informativen Bonusmaterial ausgestattet ist.

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