http://www.imdb.com/title/tt1939659/
Carries (Chloë Grace Moretz) Leben ist die Hölle. Von einer strenggläubigen Mutter (Julianne Moore)
wird sie drangsaliert und in Verweigerung jeder Körperlichkeit im
Unwissen über ihre beginnende Pubertät gelassen. In der Schule ist das
stets bieder gekleidete Mädchen das Opfer von Hohn und Spott.
Als Carrie einmal besonders verzweifelt ist, bemerkt sie, dass sie
telekinetische Kräfte besitzt. Die neu gewonnene Kraft gibt ihr das
nötige Selbstbewusstsein, um sich von ihrer Mutter zu emanzipieren und
sogar am Abschlussball ihrer Schule teilzunehmen. Doch ihre Mitschüler
haben sich eine ganz besonders gemeine Überraschung für sie ausgedacht.
Der Schock entfesselt übermenschliche Kräfte.
"Carrie" gab es schon einmal. 1976 verkörperte Sissy Spacek die junge Dame, das Mobbingopfer, die von allen verlachte junge Frau, die von ihrer religiös-fanatischen Mutter in die Grenzen der 10 gebote gezwungen und gehalten wird. Nun war es 37 Jahre später an der Zeit für eine Neuauflage. Und ich muss gestehen, auch wenn ich sehr wenig von Remakes halte (weil, warum sollte man einen großartigen Film aufhübschen und neu verfilmen?), für mich
persönlich war die aktuelle Version von "Carrie" ein großartiger Film, der mich sehr
gefesselt hat. Ich habe versucht, den Film völlig losgelöst vom Original zu betrachten und dementsprechend auch zu beurteilen. Warum konnte ich das? Nun, "Carrie" ist ein
Sozialdrama mit paranormalen Horrorelementen und kein Horrorfilm im
eigentlichen Sinne. Dass ist allerdings nichts Neues, denn schon Stephen
Kings Romanvorlage war als gruselig angehauchtes Sozialdrama angelegt
und nicht als klassischer Horrorroman. Dass "Carrie" seit jeher
fälschlicherweise als Horrorthriller klassifiziert wird, führt natürlich
bei vielen zu falschen Erwartungen.
Der 2013er "Carrie" ist mehr als 08/15-Horror und allein das macht ihn für mich schon an sich attraktiver als die Version von
1976, bei der teilweise sogar krampfhaft versucht wurde, ihn so gruselig wie
möglich zu machen, was allerdings nicht im Sinne des Erfinders ist. In
der hiesigen Adaption ist Carrie menschlicher als in der ersten Fassung.
Sie ist ein Mädchen, das von zwei Seiten her schrecklichen Umständen
ausgesetzt ist und daran mit der Zeit zerbricht. Auf der einen Seite
steht die von religiösem Wahn getriebene psychopathische Mutter, die
Carrie unterdrückt, in ihrer Entwicklung hemmt und vom
gesellschaftlichen Leben abkapselt, wobei auch psychische und physische
Gewalt nicht ausbleiben (Im neuen Film wird der religiöse Wahn
erfreulicherweise so dargestellt, wie er auch in der Realität meist ist:
absurd und gegen das gerichtet, was der Glaube eigentlich aussagt, und
nicht als logische Konsequenz christlicher Überzeugung. Auf der anderen Seite stehen Carries Mitschüler(innen), die sie
brutalst schikanieren und mobben, da sie durch ihr Anderssein, welches
größtenteils aus der mütterlichen Erziehung resultiert, ein gefundenes
Fressen für die wilde Meute ist. Durch diese Einflüsse wird Carrie zu
einem immer ängstlicheren und scheuen Mädchen. In einem Moment äußerster
Verzweiflung (die berühmte Duschraumszene) entdeckt Carrie erstmals
ihre übernatürliche Begabung zur Telekinese, die sie im Laufe des Films
immer verdichteter zum Einsatz bringt, um sich gegen die feindliche
Umgebung zu schützen, in der sie aufwächst. Bemerkenswert ist, dass die
Telekinese im Film eher nebensächlich ist und erst gegen Ende in den
Vordergrund des Geschehens rückt.
Darstellerisch ist dieser Film mit wenigen Abstrichen als grandios zu
bezeichnen. Die wundervolle Chloë Grace Moretz beweist mit ihrer
Darstellung der Carrie wohl endgültig, dass sie eine der besten
Schauspielerinnen unserer Zeit und vor allem ihres Alters ist. Sie
spielt so grandios, dass man ihr ihre Rolle von Anfang an abkauft und
voll mit Carrie mitfühlt. Als sie dann am Ende des Films jenes legendäre
Blutbad anrichtet, kann man ihr dies fast nicht verübeln, da sie von
Anfang an die eindeutige Sympathieträgerin ist. Einfach großartig! Mit
Julianne Moore ist auch die Rolle der psychopathischen Mutter perfekt
besetzt. Moore gelingt es, dem Zuschauer von Beginn an unsympathisch und
unheimlich zu sein. Als sie dann später völlig überschnappt, wird klar,
dass sie zusammen mit den Mitschülerinnen, allen voran Chris, der wahre
Anthagonist in diesem Film ist.
Ein nächstes Kriterium sei die Nähe zur Buchvorlage. Stephen King
schrieb "Carrie" als seinen sechsten Roman, es war jedoch der erste der
veröffentlicht wurde. Das war 1974, also vor knapp 40 Jahren. Kimberley
Peirce, die Regisseurin des neuen Carrie-Films, hat den Stoff der
Romanvorlage in unsere Zeit transportiert, wodurch die Geschichte um
einige Details, vor allem was das Mobbing angeht, ergänzt bzw. verändert
wurde. Im Zeitalter digitaler Medien nimmt Mobbing nämlich mitunter
weitaus grausamere Ausmaße an, als es früher möglich gewesen wäre (zum beispiel das YouTube-Video der Tampon-Aktion). Insgesamt ist der Film jedoch
sehr nah an der Romanvorlage orientiert und bringt die Botschaft
derselben wunderbar herüber.
Die neue "Carrie" ist ein großartiger Film über Mobbing,
religiösen Wahn und die Verletzlichkeit der menschlichen Seele, der
natürlich ein paar kleine Schwächen hat, mit Chloë Moretz und Julianne
Moore in den Hauptrollen aber perfekt besetzt und durch Einsatz diverser
Filmtechniken fantastisch inszeniert ist. Einzig dass der Stoff schon einmal so dagewesen ist, beschert dem Remake einen halben Punkt Abzug.
7/10
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