Sonntag, 12. Januar 2020

Nocturnal Animals (2016)

https://www.imdb.com/title/tt4550098/

Eines Tages erhält Galeristin Susan (Amy Adams), die mit Hutton (Armie Hammer) verheiratet ist, Post von ihrem Ex Edward (Jake Gyllenhall). Der war ein junger Schriftsteller mit großen Plänen, als sie ihn verließ. Seit 20 Jahren hat Susan nichts mehr von ihm gehört, nun hat er ihr ein Manuskript mit dem Titel "Nocturnal Animals" geschickt. In der Geschichte geht es um Tony Hastings (ebenfalls Jake Gyllenhall), der mit seiner Frau Laura (Isla Fisher) und Tochter India (Ellie Bamber) auf einem Highway in Texas unterwegs ist. Die Familie wird von einer Gruppe Männer um Ray Marcus (Aaron Taylor-Johnson) bedrängt, die beiden Frauen werden schließlich entführt. Tony und der Sheriff Bobby Andes (Michael Shannon) versuchen, Laura und India zu finden, bevor ihnen etwas passiert - spätestens jetzt ist Susan im Sog von Edwards Roman. Die Geschichte verflechtet sich immer stärker mit ihren persönlichen Erfahrungen...

"Nocturnal Animals" gehört wohl allein schon aufgrund seiner Darsteller zum Pflichtprogramm. Doch der Film bietet neben der hervorragenden Besetzungsriege noch eine mitreißende erzählerische Doppelbödigkeit und macht ihn dabei so spannend wie lohnenswert. Dabei ist der Ansatz des Films gar nicht einmal so verschachtelt geraten, wie man das im Vorfeld erwartet hätte, denn im Grunde erschöpfen sich die Handlungsebenen damit, dass die von Amy Adams verkörperte Susan Morrow unerwartet das Manuskript ihres ehemaligen Freundes Edward Sheffield zugesandt bekommt, woraufhin sich ein parallel zur "realen" Welt verlaufender Plot entfaltet, der die Handlung des Buches wiedergibt, wobei diese beiden Parts im weiteren Verlauf noch durch einige Rückblenden der gemeinsamen Zeit von Susan und Edward angereichert werden. Dieser narrativen Struktur ist es zu verdanken, dass der Zuschauer ein ums andere Mal von der "Hauptgeschichte" träumerisch abdriftet und dann doch stroboskopartig in diese zurückgerissen wird. Doch nicht nur in ästhetischer Hinsicht zeigt Regisseur Tom Ford bei seinem zweiten Film, was er auf dem Kasten hat und geht inszenatorisch in die Vollen, zumal sich die unterschiedlichen "Welten" im Film schon allein von der Kulisse her so klar voneinander abgrenzen, dass es keiner weiteren Erklärung bedarf, wo und zu welchem Zeitpunkt man sich gerade befindet, so dass in "Nocturnal Animals" nur beinahe zaghaft, auf alle Fälle unaufdringlich unterschiedliche Farbakzente genutzt werden, um eine zusätzliche Distanz zwischen den Erlebniswelten zu schaffen, die wiederum natürlich auch einer Innenbeschau der Figuren dienen sollen, was leicht künstlerisch-abgehoben hätte werden können, doch finden diese Ansätze überwiegend im Subtext statt und stören das eigentliche Erleben zu keinem Zeitpunkt, womit Tom Fords Film speziell zu Beginn der "Highway-Handlung" als mitreißender Thriller daherkommt, wobei die kühle Distanziertheit der oberflächlichen und "kalten" Kunstwelt zwar eine andere Art Thrill bedient, sich atmosphärisch aber mitnichten zu verstecken braucht.

Dass beide Parts des Films aber so gut funktionieren ist natürlich auch den DarstellerInnen der Protagonisten geschuldet, so dass Amy Adams erneut in einer eher ungewohnten Rolle zu brillieren versteht, während Jake Gyllenhaal ja ohnehin mittlerweile über jeden Zweifel erhaben sein dürfte und einmal mehr in einer Doppelrolle glänzt, denn einerseits verkörpert er den von Susan verlassenen Schriftsteller Edward, andererseits den Protagonisten seines Buches, der sich nichts Böses ahnend auf eine Reise mit der gemeinsamen Tochter und seiner von Isla Fisher gespielten Frau begibt und unvermittelt in einen regelrechten Alptraum stolpert. So ist es für sich genommen schon wieder beachtlich, wie wenig Berührungspunkte die beiden Teile des Films objektiv haben, zumal sie trotz ihrer inhaltlichen Entfernung so wunderbar miteinander harmonieren. Heimliche Highlights sind dann tatsächlich ach die Szenen, in denen das Verhalten der Romanfigur und der "realen" Susan durch geschickte Schwenks und Wechsel gespiegelt wird, was eine seltene optische Verbindung suggeriert, die sich ansonsten nur aus der ineinander geschachtelten Erzählung ergibt. Eine Sonderrolle bei "Nocturnal Animals" nehmen allerdings die Rückblenden ein, denn nicht nur kann man hier einen Blick auf Edward und Susan als Paar erhaschen, finden sich hier zuhauf mal mehr, mal weniger subtil gestreute Hinweise zu Edwards Inspiration für sein Buch.

Ansonsten ist aber ganz klar der von Susan visualisierte Buch-Plot das stärkste Element des Films, denn hier geht Ford mit einer regelrecht animalischen Härte ans Werk, derweil sich hier mit dem von Michael Shannon verkörperten Gesetzeshüter Bobby und vor allem einem überraschend intensiv und erschreckend aufspielenden Aaron Taylor-Johnson auch die ungleich stärkeren Figuren tummeln, derweil der in Susans Welt beheimatete Armie Hammer als ihr umtriebiger Ehemann doch vergleichsweise blass und oberflächlich bleibt. Funktionieren tut "Nocturnal Animals" aber natürlich gerade deshalb so gut, da hier zwei auf den ersten Blick unvereinbare Welten zusammengebracht werden, derweil mir auch das deutungsoffene Ende durchaus zu imponieren wusste. 

Selten wurde eine sehnsuchtsvolle wie traurige Angelegenheit so schön und edel verpackt: Der modische Hintergrund des Regisseurs kommt anscheinend nicht von ungefähr, muss man nach "Nocturnal Animals" betreten konstatieren. Tom Ford ist es gelungen, auf faszinierende Weise zwei Erzählstränge zu präsentieren, die von ihrer jeweiligen Tonalität nicht unterschiedlicher sein könnten. Die herkömmliche Film-in-Film-Klassifizierung, die bei so einer Darbietung aufkommen mag, ist in diesem Falle fast noch untertrieben. Was vermeintlich als ein spannender Rachethriller in visualisierter Romanform daherkommt, entpuppt sich im Grunde als viel persönlicher als gedacht. Eingebettet wird dies in ein ansonsten überraschend ruhiges Drama-Setting über eine verflossene Beziehung zwischen beiden Protagonisten, wobei man eigentlich nur Amy Adams als Susan Morrow im Hier und Jetzt so richtig kennenlernt und begleitet.

Der Film weiß geschickt, seine quälenden Geheimnisse lange zu bewahren und nur subtil Wegweiser für den Zuseher aufzustellen. Was das emotionale Verständnis, Sympathiebekundungen, moralische Einordnung und die leise Gesellschaftskritik des Gezeigten angeht, wird hier genügend angedeutet, um seine eigenen Gedanken dazu machen zu wollen. "Nocturnal Animals" ist intelligentes und seltsam beklemmendes Gefühlskino-Drama, wie man es nur selten zu sehen bekommt. Und selbst jene, die sich mit dem Inhalt eher schwertun, werden mit starken Darstellern (Aaron Taylor-Johnson ist dabei besonders hervorzuheben), feiner Kameraarbeit und endlich mal wieder richtig guter Filmmusik belohnt. Ford gelingt hier das seltene Kunststück, ästhetische Perfektion mit einem mitreißenden und emotionalen Plot zu paaren, so dass es eine wahre Freude ist, im weiteren Verlauf immer tiefer in Susans und Edwards Seele vorzudringen und dabei die Demontage der Figuren zu betrachten, vor allem aber, wie sich der Schrecken des namensgebenden Buches langsam aber unerbittlich in die zwar reale, aber gleichsam seltsam unwirklich wirkende Welt vorarbeitet in diesem formidabel inszenierten Noir-Thriller.

8,5/10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen