Mittwoch, 11. September 2019

放‧逐 - Fong juk - Exiled (2006)

https://www.imdb.com/title/tt0796212/

In ihrer Jugend waren sie Freunde, schließlich wurden sie gemeinsam Gangster und nun treffen sie sich auf der Insel Macao wieder. Die Rede ist von Blaze (Anthony Wong Chau-Sang), Fat (Suet Lam), Tai (Francis Ng), Cat (Roy Cheung) und Wu (Nick Cheung). Doch der Anlass des Wiedersehens ist kein freudiger. Blaze und Fat wurden von ihrem Boss Fay (Simon Yam) geschickt, um Wu, der vor Jahren ausgestiegen und verschwunden ist, nun aber mit seiner Frau Jin (Josie Ho) und dem gemeinsamen Baby sesshaft werden will, zu töten. Tai und Cat haben Wind davon bekommen und wollen den Freund beschützen. Als bei einer ersten Auseinandersetzung zwar viele Kugeln fliegen und allerhand Mobiliar zu Bruch geht, aber keine Seite die Oberhand behält, gönnt man sich erst einmal eine Pause. Gemeinsam wird die noch karge Wohnung von Wu eingeräumt, das Zerschossene repariert und sich dann zum Tee zusammengesetzt. Der alten Zeiten willen stimmen Blaze und Fat einem letzten Wunsch von Wu zu. Bevor es zur finalen Konfrontation kommen soll, will er seine Familie versorgt wissen. Der einzige, viel Geld bringende Auftrag, ist die Liquidierung des gefürchteten Gangsterbosses von Macao. Das Ganze gleicht einem Himmelfahrtskommando und stellt sich für die Fünf schnell als noch komplizierter heraus…

Mit "Exiled" vermählt der ausgesprochen produktive Regisseur Johnnie To den Hongkong-Actionfilm mit dem Western, wenn er inhaltlich und visuell zahlreiche Referenzen an Sergio Leone, Sam Peckinpah, John Ford und sogar den kühlen Noir eines Jean-Pierre Melville mit den Stilelementen eines John Woo vermengt. Und doch kopiert To nicht bloß seine offensichtlichen Vorbilder, sondern erschafft mit seiner ganz eigenen Handschrift etwas Eigenständiges. Durch seinen eigenwilligen Stilmix ist "Exiled" für westlich geprägte Augen und Ohren vielleicht auch etwas leichter zu goutieren und zugänglicher als beispielsweise Woo Ende der 80er/Anfang der 90er, wenn der eine Extraschritt zur Überhöhung hier fehlt. Wie eigentlich immer bei To ist auch in "Exiled" die Action ganz hervorragend choreografiert und virtuos in Szene gesetzt und die Shootouts ähneln oft dem Western entlehnten Duellsituationen, in denen Ökonomie und Präzision deutlich mehr im Vordergrund stehen als die Lust am Spektakel wie bei Woo. Zudem versteht sich To meisterhaft in der Entschleunigung, wenn er so manche Szene genussvoll auskostet, manchmal gar zelebriert, und mit wenigen Mitteln eine dichte und spannende Atmosphäre erschafft ohne trotz all der Langsamkeit je behäbig zu wirken. So ist die gesamte Auftaktsequenz bis hin zur ersten Schießerei und überhaupt das gesamte erste Drittel nahezu brillant und makellos inszeniert. To braucht nur ganz wenige Pinselstriche, um seine Figuren zu skizzieren und die Handlung zu umreißen, und verlässt sich viel lieber allein auf Stimmungen statt auf Worte. Eine zarte Melancholie durchzieht den gesamten Film, eine süßliche Traurigkeit umweht diese fünf Freunde, ohne sich jemals im Pathos zu verlieren.

"Exiled" spielt zudem immer mal wieder mit Erwartungshaltungen, unterläuft diese nur zu gern, erschafft immer wieder glaubhaft wechselnde Allianzen und verschiebt so immerzu die Konstellation der Figuren untereinander. Freundschaft ist das eigentliche Thema dieses als Actionfilm getarnten Dramas rund um Schuld, Sühne und Brüderlichkeit. Auch Witz darf hier nicht fehlen, aber trotz humoriger Einsprengsel findet "Exiled" immer wieder zu seiner tragischen Ernsthaftigkeit zurück. Und mit Macau als Setting bietet To einen angenehm sanften Gegenpol voller warmer Farben zu den sonst eher urbanen und kalten Welten des Heroic Bloodshed und eine zauberhafte Mischung aus asiatischer und europäischer Architektur. Dazu gibt es immer wieder kleine Anspielungen auf die Rückgabe von Macau und Hongkong an China, die allerdings nie zu offensichtlich oder gar plakativ daher kommen. Sicherlich ist "Exiled" nicht perfekt: ein oder zweimal übertreibt es To ein wenig mit seinen Western-Anleihen und ein Moment voller Lagerfeuer-Romantik wirkt etwas deplatziert. Auch die Story an sich wirkt immer mal wieder arg konstruiert, doch bei einem ansonsten runden Gesamtpaket kann man sehr gut über gewisse inhaltliche Stolpersteine hinweg sehen.

7,5/10

Von KOCH Films erschien der Film im limitierten Mediabook. Dieses beinhaltet den ungeschnittenen Film auf Blu-ray und DVD, sowie jede Menge Bonusmaterial.

Quellen
Inhaltsangabe: Koch Films

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen