Mittwoch, 23. Mai 2018

[KINO] Solo: A Star Wars Story (2018)

https://www.imdb.com/title/tt3778644/

Han Solo (Alden Ehrenreich), der sich ohne Eltern in den rauen Straßen seines Heimatplaneten Corellia durchschlagen musste und später von der imperialen Flugakademie geworfen wurde, hat seinen eigenen Kopf. Den versucht er sich genauso zu bewahren wie seinen Idealismus. „Vertraue niemandem“, rät ihm dagegen sein Mentor Tobias Beckett (Woody Harrelson) – bevor ihn ein anderer zwielichtiger Gangster, Dryden Vos (Paul Bettany), für einen Zugüberfall rekrutiert. Begleitet wird Han dabei unter anderem von seinem neuen, treuen Freund Chewbacca (Joonas Suotamo) und von mehr oder weniger vertrauenswürdigen Kumpanen. Darunter sind Qi'Ra (Emilia Clarke), die für eine Gang auf Corellia arbeitet und Han von früher kennt, und Val (Thandie Newton), eine Meisterin am Blaster-Gewehr. Außerdem mischt Schmuggler Lando Calrissian (Donald Glover) mit, der Besitzer des Millennium Falken…

Seitdem Disney den Deal mit LucasFilm einging und das "Star Wars"-Franchise erwarb, feuert das Unternehmen aus allen Rohren. Gefühlt jedes halbe Jahr kommt ein neuer Streifen aus dem "Star Wars"-Universum, sehr zur Freude der einen Fans, zum Leid der anderen. Hatten sich viele Fans jahrelang beklagt, dass aus "Star Wars" viel mehr herauszuholen wäre und die Filme nur tröpfchenweise in den Kinos auftauchten, ist es nun eine wahre Flut. Und dieselben, die sich damals beschwerten, dass es zu wenige Filme gab, sind oft heute auch die, die sich beschweren, dass es zu viel wird. Man kann es eben nicht allen recht machen. Der neueste Ableger, "Solo: A Star Wars Story", führt den Zuschauer in diese weit entfernte Galaxis zurück in die Zeit etwa 10 Jahre vor "Eine neue Hoffnung" und die Frage ist: kann man sich mit Alden Heidenreich, der die ikonische Rolle des jungen Han Solo, in den alten Filmen so wunderbar verkörpert durch Harrison Ford, spielt, anfreunden und - mehr noch - ihm den jungen Han abnehmen?


Der 1977er "Star Wars" gehört sicher zu den Filmen, die die Leidenschaft für Film und Fantasie, Science-Fiction und Abenteur in vielen Menschen weckte und auch heute, fast 40 Jahre später, gehört "Star Wars" immer noch zu den Lieblingsgeschichten vieler Cineasten. Der Punkt ist, dass viele "Star Wars" einfach lieben, obgleich sie natürlich auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Filmen und ihren unterschiedlichen Niveaus an technischem Können und Storytelling erkennen. Sie sind auch willens, sich über Fehler zu beschweren und einigen Filmen gemischte Empfehlungen in ihren Reviews zu geben, auch wenn sie immer noch alle irgendwie mögen und wirklich jedem Teil zumindest eine Kleinigkeit abgewinnen können. Das bedeutet aber auch, dass die Reaktion auf "Solo: A Star Wars Story" sowohl in der Liebe zur Reihe als auch in einem starken Bewusstsein dafür, wie sich alles verändert hat und wie die Qualität der Filme variiert, verwurzelt ist. Die Voreingenommenheit, die  man nun auch immer für die Reihe hat, wird also zumindest ein wenig durch Erwartungen widerlegt, dass die Filme ihrem Versprechen und der Größe, die das "Star Wars"-Universum für diesen großäugigen kleinen Jungen vor vierzig Jahren ins Leben gerufen hat, gerecht werden. Und in diesem Sinne kann man auch bereits folgendes sagen: "Solo: A Star Wars Story" ähnelt nicht annähernd einem der bekannten "Star Wars"-Filme. Er gehört nun zum Universum, aber er offenbarte auch eine neuartige kreative Vision, die das alles vorantreibt. 


Während es hier und da ein paar kleine Patzer gibt, über die man sich ärgern könnte (und ich werde sie in diesem Review noch erwähnen), nimmt der Film einen aber auf überwältigende Art und Weise mit, sodass "Solo" ein großer Gewinn für das "Star Wars"-Franchise ist - eine mitreißendes Abenteuer mit einem passenden ud nicht übertriebenen Sinn für Humor, großartiger Action, einer ordentlichen Handlung und - nicht zuletzt - einer durchweg charismatischen Besetzung. Während einige der letzten "Star Wars"-Filme für einige Fans und Zuschauer etwas verstrickter und Ebenenreicher waren, wird "Solo" wieder mehr in der Form des früheren, einfacheren Storytelling-Ansatzes erzählt.

Und Alden Ehrenreich ist so großartig in der Hauptrolle, wie man es sich nur erhoffen konnte. So liegt nahe, dass das Drehbuch die Figur Han Solo auf eine bestimmte Art und Weise porträtierte und in gewisser Weise auf Ehrenreich zugeschnitten wurde, einfach weil er optisch gut in die Rolle passte. Lange stand nämlich auch ein anderer hinter vorgehaltener Hand im Gespräch, der ebenso gut in die Rolle gepasst hätte: Chris Pratt. Er bewies bereits in "Guardians Of The Galaxy", dass er das Zeug dazu hat und auch gut in die Rolle eines jungen Han Solo gepasst hätte. Vermutlich wäre der Film dann aber noch etwas komödiantischer, satirischer geworden. Dies war vielleicht auch die Vision, die die Regisseure Phil Lord und Chris Miller hatten, bevor Disney sie kurz vor der Fertigstellung des Projekts feuerte und durch Ron Howard ersetzte, der nun den Film fertigstellte und eine nicht geringe Anzahl an Reshoots anordnete. Was auch immer hier vor sich ging ist letztlich nicht entscheidend, denn Howards resultierender Film ist ein weiterer großer Erfolg für Disney/Lucasfilms "Star Wars"-Franchise. Und Ehrenreichs Performance ist genau das, was der Film braucht, um dem Zuschauer zu liefern, was immer für möglich gehalten wurde. Allein der Versuch, zu viel von Fords bekannter Darstellung nachzumachen, wäre fehlgeschlagen, auch wenn es im Allgemeinen eine anständige Imitation gewesen wäre; eine Version von Han Solo, die sofort als der Schmuggelschurke bekannt ist, den der Zuschauer kennt und liebt, aber auch so einzigartig, dass das Publikum etwas Neues mit dem Charakter erlebt und der Darsteller sich von nun an die Rolle zu Eigen machen kann.

Ehrenreichs Performance erinnert sehr daran, wie es wäre, einen jungen Dennis Quaid zu sehen, von seinem Aussehen bis hin zu seiner Körpersprache. Googlet man die Worte "Dennis Quaid" und "1978" und schaut Sie sich Bilder des jungen Quaid an, wird schnell verständlich, wie groß die Ähnlichkeit ist. Und dann stelle man sich vor, dass der junge Quaid Zeilen wie "Kind, ich bin von einer Seite dieser Galaxie zur anderen geflogen. Ich habe viele seltsame Dinge gesehen, aber ich habe noch nie etwas gesehen, das mich glauben lässt, dass eine allmächtige Kraft alles kontrolliert. Es gibt kein mystisches Energiefeld, das mein Schicksal steuert." von sich gibt. Aber dies nur am Rande.


Und so erhält man einen neuen "Star Wars", der gleichzeitig vertraut ist mit allem, was man an der klassischen Trilogie liebte und doch einen tieferen Einblick in einen Hauptcharakter bietet. Das ist der junge Han Solo, und während man anfänglich vielleicht anfängt zu jammern (auch über die in der deutschen Synchronisation etwas unpassende Stimme, die interessanterweise wohl darauf zugeschnitten wurde, auf den alten Han Solo zu passen, aber nicht so recht auf Ehrenreich), jemanden zu sehen, der nicht Harrison Ford ist, der diese, seine, Rolle spielt, kommt man schnell über die Trennung hinweg und umarmt sie, weil es einfach so gut funktioniert. Ehrenreich verdient einen großen Applaus für die Portraitierung der Figur, die fast ein No-Win-Szenario war. Emilia Clarke spielt Qi'ra, eine der neuen Figuren in Han's Welt, in einer Performance, die eine bereits gut geschriebene Rolle übernimmt und ihrem Charakter zusätzliche Nuancen verleiht. Vieles über Qi'ra ist entweder unbekannt oder wird nur angedeutet, und Clarke lässt zu Recht diese Ungewissheiten in der Luft hängen. Ihre Vergangenheit und Geheimnisse werden im Film an gewissen Stellen angedeutet, ohne diese aber näher zu beleuchten. So bleibt die Figur geheimnisvoll, bis kleinere Enthüllungen gerade genug Einblick geben, dass alles ein Ganzes ergibt. Ihre Verbindung zu Han ist real, aber wie viel davon existiert wirklich noch? Es ist aufregend, diese Frage nicht nur zu stellen, sondern sich viel mehr um die Antwort zu kümmern, als man es normalerweise für neue Nebenfiguren tut, die in einem Film mit alteingesessenen Ikonen auftreten.

Donald Glover als Lando Calrissian ist natürlich ein Szene-Stealer in seiner anschaulich perfekten Darstellung eines Fan-Lieblingscharakters. Sein Lando ist ein herrlicher, aalglatter Schurke und hat aufschlussreiche Momente, in denen sich seine "Devil-May-Care"-Haltung zumindest teilweise als Fassade entpuppt, die die starke emotionale Bindungen abschirmt, welche ihn kopfüber in ernsthafte Probleme reißen könnten. Es gibt Ähnlichkeiten zwischen Lando und Han, aber auch große Unterschiede - Han versucht nur zu überleben und hat persönliche, kleinere Ziele für sein Leben, aber er gerät immer wieder in ein größeres Schicksal; Lando hingegen sieht sich immer als einen Mann von Bedeutung, den ein größeres Schicksal erwartet. Man kann - ähnlich wie bei Ehrenreich - froh sein, dass Glover Lando so deutlich portraitiert - gerade auch in seiner Manier, Haltung und Persönlichkeit - als eine frühere, weniger raffinierte und doch endlos selbstbewusste, protzige Version des Mannes, der er in "Das Imperium schlägt zurück" und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" eine so entscheidende Rolle spielte. Es wäre ein Fehler gewesen, ihn als Geschäftsinhaber mit vielen Verbindungen zur Unterwelt zu etablieren. Glover lässt in schwierigen Momenten oder wenn sein Selbstvertrauen getestet wird, kleine Zweifel an seiner Härte aufblitzen. Der Film lässt die Tür offen für seine unvermeidliche Rückkehr in zukünftige "Star Wars"-Veröffentlichungen, sei es eine Solo-Fortsetzung oder ein eigenständiger Lando-Film.


Phoebe Waller-Bridges L3-37 ist dann die erste Roboterfigur, die mit den Droiden C-3PO und R2-D2 konkurrieren kann. Selbst BB-8s niedliche Tour und die Fähigkeit, einen urkomischen Daumen nach oben zu geben, sind nicht gleichzusetzen mit der Droiden-Persönlichkeit von Waller-Bridge. Es ist kaum ohne Spoiler begreiflich zu machen, aber L3-37 ist witzig ohne sich im geringsten darüber bewusst zu sein und strahlt einen selbstbewussten Stolz aus, der selbst die enormen Egos von Han und Lando herausfordert. L3-37 hat auch ihre eigenen Pläne, und wenn es um deren Verwirklichung geht, ist sie großartig, selbstgerecht und manchmal auch "leicht" hysterisch. Die Interaktionen zwischen ihr und Lando gehören damit zu den Höhepunkten des Films. Woody Harrelson war eine gute Wahl für Tobias Beckett, einen Verbrecher, der ohne Umschweife kriminell ist und dessen einzige Sorge sich selbst und seiner Frau Val, gespielt von Thandie Newton, gilt. Es gibt klare Grenzen, innerhalb derer Tobias operiert, und man sieht hier und da Einblicke in seinen "Kodex", wenn Situationen schwierige oder harte Entscheidungen erfordern. Harrelson ist aber auch ein sehr guter Schauspieler, der es mit seiner Vielseitigkeit und seiner Fähigkeit immer schafft, dass sein Charakter einen Hauch von Sympathie und Anziehungskraft behält, selbst wenn er unappetitliche oder geradezu schlechte Menschen porträtiert. Er ist gut darin, böse Menschen darzustellen, die gute Dinge tun, oder gute Menschen, die schlechte Dinge tun, und man wünschte sich, er würde dafür mehr Anerkennung bekommen. Vorhergehendes kann man also auch sagen, denn Tobias ist definitiv entweder ein schlechter Typ, der vielleicht manchmal gute Dinge tut, oder ein guter Typ, der definitiv die meiste Zeit moralisch zweifelhafte oder böse Dinge macht, aber es ist nicht ganz sicher auf welcher Seite er wirklich steht, und er scheint sich der Antwort oft selbst nicht sicher zu sein. Aber er ist sympathisch, er versucht, Han Weisheit und Lebenslektionen zu vermitteln und er liebt Val, also mag man ihn, auch wenn man ihm nicht ganz vertraut.

Jonas Suotamo tritt bewundernswert in die Rolle von Chewbacca ein. Ja, es ist eine etwas stillere Rolle, aber die Körpersprache ist alles, wenn es darum geht, einen Wookie zu portraitieren und Suotamo gibt Chewie eine enorme Menge an emotionaler Resonanz und persönlichem Antrieb in "Solo". Er ist hier mehr als der gewöhnliche Kumpel und die zusätzlichen Dimensionen, die diese Geschichte für seine Beziehung zu Han bietet, sind willkommene Ergänzungen zu den "Star Wars"-Mythen. Paul Bettanys baufälliger Dryden hat nur ein paar Szenen, aber Bettany macht das Beste daraus. Die skrupellose Verbrecherboss-Figur ist in einer Geschichte wie dieser immanent, aber selten besitzt solch ein Charakter die Präsenz, die Bettany in seine Rolle einbringt. Die Art, wie er es genießt, sowohl das Ego eines anderen zu streicheln als auch mit ihnen zu flirten, dann die Decke unter ihnen wegzuziehen oder beiläufige Drohungen mit einem Hauch von Belustigung auszusprechen, verwandelt etwas, das leicht zu einem Standard-Charakter hätte werden können, in etwas weit besseres. Jon Favreau liefert die Stimme des CGI-Alien Rio, und obwohl es eine der kleineren Rollen ist, ist Rio eine Quelle von Humor und ein paar netten Gags.

Zusammen mit einem Drehbuch, das zu Recht als eines der besten der "Star Wars"-Universum galt, und das immense Filmemachentalent von Ron Howard ist "Solo: A Star Wars Story" ein Film, der trotz seiner problematischen Produktion so exzellent, originalgetreu und unterhaltsam ist, wie man es nur hoffen konnte. Howard bringt "Solo" das richtige Gleichgewicht zwischen Nostalgie und Neuerung: eine "Star Wars"-Geschichte, mit zurückhaltenden Referenzen an vorhergehende Filme. Und das Ergebnis ist eines der spannendsten und aufregendsten in der "Star Wars"-Saga. "Solo" fühlt sich mehr nach der Original-Trilogie an als die meisten anderen Filme, die nach den ersten dreien veröffentlicht wurden.


Die Action passt und fährt mit dem Zuschauer in einigen Szenen richtiggehend Achterbahn, zwischen denen gelegentliche Verlangsamungen gerade für einen noch größeren, schnelleren Spin herhalten. Einige der Szenen sind wirklich lobenswert und treiben einen ein fettes Grinsen ins Gesicht, aber der größte Teil des Films befasst sich mit Hans Geschichte und liefert dem Zuschauer eine wirklich gute Origin-Story. Die visuellen Effekte sind natürlich so beeindruckend, wie man es mittlerweile von diesem Franchise erwarten würde, gerade auch die Flüge mit dem Falken oder der Raubüberfall mit dem Zug. In einigen Szenen tauchen sogar altbekannte Joahn Williams-Themen im Score auf, der passend von John Powell adaptiert wurde. Letztlich könnte man am Film selbst eigentlich nur kleine Nebensächlichkeiten bemängeln (die fehlende, ikonische Laufschrift zu Beginn, kleinere Ungereimtheiten hier und da), aber diese verschwinden im hellen, euphorischen Licht von allem, was der Film so richtig hinbekommt. "Solo: A Star Wars-Story" ist genau das, was man sich erhoffen konnte. Er ist ein Wiedersehen mit alten Freunden mit einer ganz neuen Geschichte und einer Menge Geheimnisse, die es noch zu enthüllen gilt. Er wird Fans des Franchises sicher gefallen und eventuell sogar einige brandneue Fans gewinnen. "Solo" startet in eine ganz neue Ecke des "Star Wars"-Universums und letztlich kann man es kaum erwarten, wieder dorthin zurück zu kehren.

8,5/10

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