Dienstag, 17. Oktober 2017

アウトレイジ - Autoreiji - Outrage (2010)

http://www.imdb.com/title/tt1462667/

Tokios Unterwelt wird von zwei konkurrierenden Klans der Yakuza regiert, die sich permanenten Machtkämpfen unterziehen. Erlaubt sind alle Mittel. Heimliche Abkommen, gebrochene Schwüre oder blutige Rachezüge stehen auf der Tagesordnung. Als Sekiuchi (Soichiro Kitamura), Anführer des Sanmo-Kai-Klans vom misslungenen Auftrag seines Handlangers Ikemoto (Jun Kunimura) erfährt, zweifelt er an dessen Gangster-Fähigkeiten. Das kann der in seinem Stolz verletzte Ikemoto nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Um Sekiuchi wieder auf seine Seite zu ziehen, entsendet er Otomo (Takeshi Kitano), seinen Mann fürs Grobe, um beim rivalisierenden Murase-Klan eine gehörige Portion Stunk zu verbreiten. Folglich lockt Otomo die gegenerischen Kriminellen in fiese Fallen, schreckt auch vor direkten Angriffen auf höhere Tiere nicht zurück und zettelt somit einen chaotischen Krieg an.

Das hier ist das Yakuza Milieu. Da, wo man sich den kleinen Finger abschneidet, wenn man sich für etwas entschuldigt. Regisseur Takeshi Kitano setzt hier wie im Titel angekündigt ausschließlich nur auf brutale Gewalt und Gräueltaten der übelsten Art. Lediglich beim optischen drapieren von Erschossenen schimmert mal kurz seine Ästhetik aus der "Hana-Bi"/"Feuerblume" durch. Verschiedene Clans bekämpfen sich wegen der Einnahmen aus Drogen und Prostitution, sowie aus dem Glücksspiel. Der Zuschauer sieht eine reine Männerwelt ohne familiären Hintergrund, in der sich die Machos durch Hahnenkämpfe gegenseitig eliminieren. Dabei geht es immer nur ums 'Gesicht verlieren' oder 'eine Lektion erteilen' und die Wortwahl ist mehr als farbig. Auf Nebenkriegsschauplätzen wird mit der Polizei verhandelt und sogar ein Botschafter wird nolens-volens mit hineingezogen. Die Männer leben in einem rechtsfreien Raum, in dem das Faustrecht gilt.

Fragmentarisch zerreißt Takeshi Kitano seine kinematographischen Wurzeln in blutbeschmierte Einzelteile und serviert seinem Publikum genau das, was es in dieser nihilistischen Rohheit nicht von ihm erwartet hätte. In "Outrage" gibt es keine ikonisierte Männerromantik innerhalb der Yakuza und Wert auf Milieuschwärmereien wird hier ebenso wenig gelegt. Vielmehr konfrontiert er das organisierte Verbrechen mit der bittereren Aggressivität der groben Realität und evoziert dadurch eine gefühllose Drastik, die sich in ihrer nüchternen Entmenschlichung wirklich gewaschen hat. Dabei sind die Figuren bloße Abziehbildchen, die einzig und allein am Aufstieg innerhalb der Mafiahierarchie respektive der Alleinherrschaft interessiert sind: Brüderliche Nächstenliebe gibt es nicht, Besessenheit ist das Stichwort und der eigentlich blinde Gehorsam weint dem tradierten Kodex keinerlei Träne nach, sondern fungiert auf eigene, zielorientierte Faust.

"Outrage" ist die distanzierte Dekonstruktion des universellen Gangstermythos und bewegt sich in einer unermesslichen Kälte, ohne jeden emotionalen Effekt, ohne empathischen Mehrwert oder zelebrierten Ästhetizismus, von Gewaltspitze zu Gewalteruption. Auch in der Welt der anonymen Anzugträger gibt es schließlich nur noch Verlierer, und auch wenn sie ihren wertlosen Untergang noch nicht realisieren möchten, die Messerspitze dringt bereits unbemerkt in ihr illoyales Fleisch. Der Regisseur verkörpert hier Ötomo, einen subalternen, der nach oben will und es fast auch schafft. Das Finale ist eine einzige Ballerorgie, in der das Erschießen zum Scherzartikel verharmlost wird. Alles wird eliminiert. Nutten nach dem Nümmerchen, Boten, Subalterne, Vorgesetzte und auch Polizisten. Auch der ganz große Boss muss dran glauben und wird vom Mörder verleumdet. Ötomo muss feststellen, dass er altmodisch ist. Er geht freiwillig ins Gefängnis. Aber da ist auch vor Dolchen nicht sicher. Die eigene Karikatur wird der Lächerlichkeit preisgegeben. "Outrage" ist besonders und dabei Knüppehart und unterhaltsam. Die fehlende Ironie und ein nicht vorhandener philosophischer Einschlag zeigen den Unterschied zu Tarantino. Die Gewalttätigkeiten sind oft überbordernd, aber die Menge des Blutes passt.

8/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film nun endlich auch hierzulande in HD in einem tollen Mediabook: 

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