Montag, 18. Juli 2016

37°2 Le Matin - Betty Blue: 37,2 Grad am Morgen (Director's Cut) (1986)

http://www.imdb.com/title/tt0090563/

Zorg (Jean-Hugues Anglade) ist Schriftsteller und arbeitet in einer Feriensiedlung in Südfrankreich an einem neuen Manuskript. Eines Tages taucht die junge Frau Betty (Béatrice Dalle) bei ihm auf und lebt fortan bei ihm. Nachdem die selbstbewusste Frau sein Manuskript gelesen hat, tippt sie das Handgeschriebene kurzerhand ab, um es an verschiedene Verlage zu schicken. Leider scheint zunächst niemand Interesse an seinem Buch zu haben und als sie schließlich umziehen, nimmt er einen Job als Klavierverkäufer an. Betty wird schwanger, verliert jedoch das Kind und damit ihren Halt. Nachdem ihr immer unkontrollierteres Verhalten in Selbstverstümmelung gipfelt, wird sie in eine Anstalt eingewiesen und für verrückt erklärt. Zorgs Buch findet schließlich doch einen Verleger, doch sein Schmerz um den Verlust von Betty lässt ihm keine Ruhe und so sucht er nach einem Weg sie aus der Anstalt herauszuholen.

Jean-Jacques Beineix liefert fünf Jahre nach seinem gefeierten Debüt "Diva" einen für 1986  nicht ganz unumstrittenen Film ab. "Betty Blue: 37,2 Grad am Morgen" ist ein Film, der etwas in seinem Zuschauer auslösen kann, nur weil das Verhalten der von Béatrice Dalle so authentisch belebten weiblichen Hauptfigur so anders ist. Sie beherrscht sich nicht und ist damit dampfend vor sexueller Betörung Antrieb des bitteren Zerfalls einer kurzlebigen Synthese vor wechselnden, artifiziellen Motiven. Die Darstellung einer sehr komplexen Persönlichkeit, eben dieser Betty, weckt von Beginn an das Interesse des Zuschauers. Sie ist sehr sexy und überhaupt nicht angepasst, neigt zu Gewalttätigkeit und bleibt sich dabei immer treu. Und ist verliebt bis über beide Ohren. Und wie man rasch bemerkt, kann die absolute Liebe zu Zorg (Jean-Hugues Anglade) sie in den Wahnsinn treiben. Aber weil es absolute Liebe ist, bedeutet der Wahnsinn eben nicht das Ende.

Zu großen Teilen wird die Geschichte von Zorg aus dem Off erzählt. Zu Beginn hat er gerade die junge Betty kennengelernt und schon jetzt besteht ihr gemeinsames Leben zu großen Teilen aus zärtlicher Zweisamkeit, bei deren Darstellung sich der Film auch nie zurücknimmt. Die langsame, im Director's Cut über 180 Minuten lange Geschichte lebt zu großen Teilen von der gelungenen Chemie der beiden Hauptdarsteller, die über weite Strecken gemeinsam agieren und ein Gefühl von leichtlebiger Ungehemmtheit auf den Zuschauer übertragen. Auch wenn inhaltlich nicht sonderlich viel passiert, schaffen es die beiden Figuren den Betrachter mit ihren ehrlichen Emotionen bei der Stange zu halten. Überhaupt lebt "Betty Blue: 37.2 Grad am Morgen" nicht von der zugegeben sehr minimalistischen Geschichte, sondern von der völlig eigensinnigen und gerade deswegen fesselnden Stimmung, die der Film ausstrahlt. Und dann gibt es in diesem Drama auch noch jene Szenen, in denen man sogar schmunzeln kann, weil sie herrlich skurril und abgehoben sind.

Die grandiose Kameraarbeit unterstützt dies alles enorm. Sonnengeflutete Bilder voller lebensbejahender Helligkeit stehen spärlich beleuchteten Wohnungsaufnahmen voll mit angestauten Emotionen gegenüber. Obwohl den Titelfiguren wenig gelingt was sie anpacken, scheinen sie ihre Lebensfreude nie zu verlieren. Sie haben sich selbst und das scheint ihnen zu reichen. Bis kurz vor Schluss, denn dann bricht der Film plötzlich und bewegt sich in ein völlig anderes Terrain. Dahin sind urplötzlich die leichtfüßige Art und die eigensinnige Stimmung. Das Ende ist tatsächlich ein harter Bruch, jedoch fragt man sich unwillkürlich wie der Film auch anders hätte enden können wenn nicht so? Denn das Ende bereitet erneut der Mensch und kann sich doch nicht ganz befreien.

8/10

Von CAPELIGHT PICTURES kam der Film als Erstauflage im limitierten Mediabook. Dieses enthält erstmals in Deutschland den Director's Cut in HD.

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