Sonntag, 28. Februar 2016

The Walk (2015)

http://www.imdb.com/title/tt3488710/

Es ist eine ebenso irrsinnige wie inspirierende Aktion, die in den späten Sechziger Jahren im Wartezimmer eines Zahnarztes ihren Anfang nimmt. Dort liest Philippe Petit (Joseph Gordon-Levitt) vom Bau des World Trade Centers. In diesem Moment hat der tollkühne französische Akrobat die Herausforderung gefunden, auf die er sein Leben lang gewartet hat. Er entschließt sich, ein Drahtseil zwischen den Twin Towers zu spannen und darauf zu laufen. Dem verbotenen Balanceakt gehen zermürbende Vorbereitungen voraus, bei denen Petit Hilfe von internationalen Unterstützern, seiner Freundin Annie Allix (Charlotte Le Bon) und seinem Mentor Papa Rudy (Ben Kingsley) bekommt. Nach der anstrengenden Vorarbeit balanciert Petit am 7. August 1974 ganze 45 Minuten auf dem Seil, bis er von Sicherheitsleuten überwältigt wird...

Wer hätte gedacht, dass ein Film mit solch banaler Story, wie dem Tanz auf einem Drahtseil, ein solch gut erzählter, berührender, faszinierender und gleichzeitig spannender Film wird? Okay, das Drahtseil befindet sich zwischen den beiden höchsten Türmen der damaligen Zeit, den Twin-Towers des World Trade Center in New York und von Anfang an ist klar, wie die Geschichte ausgehen wird (sonst könnte der Protagonist als Erzähler diese ja wohl kaum wiedergeben, aber man hätte aufgrund der Laufzeit von knapp 2 Stunden auch nicht erwartet, dass das so dermaßen unterhaltsam und nicht einfach nur langes Warten auf das eigentliche Ereignis werden würde.

Was zu einem sehr großen Teil an der Herangehens- und Erzählweise liegt. Fast schon wie eine Art Märchenerzähler berichtet Joseph Gordon-Levitt als Philippe Petit via Voice-Over (wobei er auch desöfteren im Bild war) rückblickend von der Entstehungsgeschichte und den Vorbereitungen, und dies auf eine so amüsante, wie süffisante Art und Weise, dass man sofort im Film drin ist. Es ist alles hervorragend umgesetzt und es ist wahrscheinlich, dass man das auch nicht anders hätte erzählen können ohne dass es sich tatsächlich irgendwann einmal in die Länge gezogen hätte. In der Umsetzung der Vorbereitungen für den größten künstlerischen Coup des Jahrtausends war auch ordentlich Witz drin, zumal sich das irgendwann mal zu einem sehr coolen und amüsanten Heist-Film entwickelt hat. Obschon der Film auch vorher schon sehr unterhaltsam ist, hievt damit Regisseur Robert Zemeckis den Unterhaltungsgrad noch einmal ein paar Stockwerke höher.

Der Twin-Tower-Drahtseilakt selber im letzten Drittel ist dann (vor allem in 3D) sowohl schwindelerregend wie atemberaubend, man hat nonstop zugleich ein total mulmiges, als auch ein Hochgefühl bei dieser spektakulären Szene, das war sowohl visuell als auch emotional genial gemacht, ohne dabei irgendwie übertrieben oder übertrieben reißerisch herüberzukommen. Oft hält man gespannt den Atme an und harrt der langen Sekunden des Drahtseilaktes. Das war einfach wie der gesamte Film klasse inszeniert und erzählt von Robert Zemeckis, der bei der Umsetzung dieser wahren Geschichte wieder einmal gezeigt hat, wie großartig er Geschichten erzählen und vermitteln kann. Auch die "Lebe deinen Traum" (so wahnwitzig er auch ist und so unverständlich er für Außenstehende erscheinen mag)-Botschaft weiß sehr gut zu gefallen. Sehr positiv zu erwähnen ist auch noch Joseph Gordon-Levitt, der wirklich klasse gespielt hat und die Leidenschaft und auch den Wahnsinn, was diese Aktion erfordert hat und was diese Figur auch ausmacht, sehr glaubhaft, überzeugend und sympathisch rübergebracht hat. Toll.

8/10

"The Walk" ist im MediaMarkt in einer exklusiven Lenticular-Steelbook Edition erschienen:


Quellen
Inhaltsangabe: Sony Pictures

Freitag, 26. Februar 2016

Double Impact - Geballte Ladung (1991)

http://www.imdb.com/title/tt0101764/

Der Geschäftsmann Paul Wagner (Andy Armstrong) gerät in finanzielle Nöte und muss sich beim Bau eines Tunnels zwischen China und Hongkong wohl oder übel Unterstützung bei dem Verbrecherboss Nigel Griffith (Alan Scarfe) holen. Dieser bootet Paul jedoch aus und tötet ihn samt Familie - mit Ausnahme zweier Zwillingsbabies, die voneinander getrennt werden. 25 Jahre später versucht der ehemalige Vertraute Pauls, Frank Avery (Geoffrey Lewis), die beiden getrennten Söhne wieder zusammenzuführen. Er reist mit einem der zwei Zwillinge, Chad (Jean-Claude Van Damme), nach Hongkong, um den verschollenen Bruder Alex (auch Jean-Claude Van Damme) aufzuspüren und den Kampf gegen Griffiths Syndikat aufzunehmen...

Jean-Claude van Damme im Doppelpack und - wenn man näher hinsieht - hat er sogar am Drehbuch mitgewirkt. Spätestens jetzt müsste man eigentlich vor Schreck erstarren, aber überraschenderweise ist dies beileibe nicht so schlimm wie man erwarten würde. Denn mit "Double Impact" liefert van Damme einen soliden und unterhaltsamen Actionstreifen ab, der deutlich zu seinen besseren Werken zählt. Innovation in der actionlastigen Story darf man typischerweise nicht erwarten, aber es gibt doch einige spaßige Szenen. Was dem Film fehlt, ist ein wenig Ironie und Augenzwinkern. Er wird stellenweise unfreiwillig komisch, weil er sich viel zu ernst nimmt. Die Martial Arts Kämpfe sind gut choreographiert und in Szene gesetzt. Bolo Yeung als Gegenspieler ist grandios und so bedrohlich, der er - obwohl er nur einen einzigen Satz sagt - sonst einfach nur bedrohlich und übermächtig herüberkommt. Van Damme auf der anderen Seite meistert auch seine Doppelrolle überraschend gut und wirkt zudem nicht überfordert. Dies liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass seine beide Rollen gegensätzlicher nicht sein könnten, doch darüber hinaus auch wenig Spiel für Differenzierung bieteen und Van Damme letztlich nur um sich treten muss. Was anderes zu erwarten wäre auch viel zu viel verlangt. "Double Impact" ist auch ohne tiefgreifende und ausgeklügelte Story einer der bessern 90er Actionstreifen und auf jeden Fall ein empfehlenswerter Genrevertreter.

7/10

Im Vertrieb von NSM, die sich offensichtlich sämtliche MGM/Fox-Titel unter den Nagel gerissen haben, erschien der Film ungeschnitten und in HD im Mediabook. Dieses ist auf 999 Stück limitiert und nummeriert.

Child 44 - Kind 44 (2015)

http://www.imdb.com/title/tt1014763/

Leo Demidow (Tom Hardy) ist als Militärpolizist ein Handlanger der Sowjetunion unter Stalin, ein staatliches Instrument. Er hinterfragt seine Aufträge nicht und fühlt sich an keine Moral gebunden, die nicht durch die Partei vorgegeben ist. Von seinen Vorgesetzten wird Leo regelmäßig daran erinnert, dass es in seinem Land – der offiziellen Linie nach – bestimmte Verbrechen nicht gibt, Kindsmord etwa. Doch als die Leiche des kleinen Sohnes eines Mitoffiziers aufgefunden wird und der Staatsapparat den offensichtlichen Mord zu vertuschen versucht, kommt Leo ins Grübeln. Als ein weiteres Kind ermordet wird, stellt Leo eigene Nachforschungen an und gerät so ins Visier seiner Vorgesetzten. Er weckt das Misstrauen des Milizanführer Nesterow (Gary Oldman) und wird mit seiner Familie ins provinzielle Exil geschickt. Während dies Leos ehrgeizigem Rivalen Wassili (Joel Kinnaman) in die Karten spielt, wird Leos Suche nach dem Killer immer gefährlicher – nicht nur sein Leben ist in Gefahr, auch sein Vertrauen zu seiner Frau Raisa (Noomi Rapace) wird auf die Probe gestellt.

"Kind 44" ist ein nicht einfacher, oftmals ziemlich unangenehm zu schauender, aber sehr guter Film. Die Verfilmung gilt als "Box-Office-Bomb" und das nicht ganz zu unrecht. Mit einem Budget von 50 Millionen und einem finalen Einspielergebnis von etwa 3 Millionen Dollar wird klar belegt, dass hier etwas gewaltig schief lief. Dabei ist doch alles da. Großartige Darsteller wie Tom Hardy, Gary Oldman, Noomi Rapce, Vincent Cassel und Joel Kinnaman, eine ansprechende Inszenierung und ein dienlicher Soundtrack. Aber irgendetwas zwischen Regie, Schnitt und Produktion lief schief. Das deprimierende Setting und eine schwermütige düstere Atmosphäre vermitteln dabei doch so ein grandioses Zeitgefühl in der Sowjetunion der Stalin-Ära Anfang der 50er Jahre. Anfänglich könnte man meinen, es handele sich bei "Kind 44" um einen Serienkillerthriller, aber dieses Story-Element spielt eigentlich nur eine untergeordnete wenngleich auch wichtige Rolle.

"Mord ist eine ausschließlich kapitalistische Krankheit."

Es geht vielmehr um das Drumherum und um die Zeit, in der die Geschichte spielt, aber mit dem Kriminalfall als wichtiger Bestandteil des Gesamtkonstruktes, denn ganz nach obigem Zitat und damit einhergehend dass es im Paradies (der Sowjetunion) keinen Mord gibt, versucht das System natürlich, die Ermittlungen zu unterdrücken. Allein diese Inszenierung, das Spiel und Gegenspiel sind faszinierend dargestellt und interessant gemacht, der Zuschauer muss sich lediglich drauf einstellen und einlassen. Zudem ist das Ganze auch ein Charakterdrama eines gehassten Dissidenten-Jägers des russischen Geheimdienstes MGB, der sich mit einer neuen Situation zurecht finden muss und auf der Suche nach sich selbst und seiner Rolle im System ist. Dieser wird dargestellt vom wieder mal großartigen Tom Hardy, der mal wieder eine verdammt intensive Leistung abliefert. Stark auch, wie die komplizierte Beziehung zu seiner Ehefrau Noomi Rapace (die ebenso klasse spielt) beleuchtet wird.


Also alles sehr interessant, gut umgesetzt und gut erzählt, mit viel subtiler Spannung und Drama versehen, bisweilen aber auch ein wenig zu schleppend und langwierig rübergebracht. Oftmals passte das zum Film, zur Story und zur Stimmung, und manchmal waren das halt einfach nur Längen, die man nicht vermeiden konnte und mit ein etwas weniger Laufzeit vielleicht hätte umgehen können. Dies ist zum Glück nur selten störend.

Das liet sich jetzt alles sehr grandios, doch der Film schafft es an keiner Stelle rund zu wirken, da er seine verschiedenen Handlungsstränge nicht linear erzählt, sondern verwirrend und sprunghaft ist. So taumelt der Film über die ganze Laufzeit zwischen einem Krimi und einem politischen Drama, ohne je wirklich eines der beiden Genres zu erreichen. Hätte man sich mehr auf einen der Storyteile fokussiert, andere vielleicht ganz weggelassen, so wäre der Film sicher deutlich harmonischer gewesen. Auch fehlen große Teile der Hintergrundgeschichte im Drehbuch, die dem Zuschauer die Figuren eigentlich nahe führen sollten. Viele Charaktere handeln ohne kenntliche Motivation, man hätte viel größere Teile des Films für die Vergangenheit seiner Pro- und Antagonisten verwenden sollen.

"Kind 44" ist damit kein Totalausfall, verschenkt jedoch sehr viel von seinem Potenzial. Wo die dramatische Geschichte rund um ein politisches System und gleichzeitig die einer schrecklichen Mordserie erzählt werden will versagt der Film dabei die interessanten Aspekte der Genres zu verbinden.

7/10

Mittwoch, 24. Februar 2016

Crimson Peak (2015)

http://www.imdb.com/title/tt2554274/

Seit ihrer frühesten Kindheit weiß Edith Cushing (Mia Wasikowska), dass Geister existieren. Damals war ihr ihre tote Mutter erschienen, die ihr eindringlich zuflüsterte: "Hüte dich vor Crimson Peak!" Erst Jahre später erschließt sich Edith allmählich die ganze Bedeutung dieser Worte, als sie sich in den ebenso charmanten wie geheimnisvollen Baronett Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) verliebt. Trotz der Einwände ihres Vaters (Jim Beaver) und ihres Kindheitsfreundes Dr. Alan McMichael (Charlie Hunnam) heiratet die angehende Autorin den adretten Fremden und bricht mit ihm zusammen zu seinem großen, düsteren Anwesen auf, in dem er bislang mit seiner unnahbaren Schwester Lucille (Jessica Chastain) gelebt hatte. Verstörende Geistererscheinungen und die Anweisung, bestimmte Teile von Allerdale Hall zu meiden, lassen Edith bald an den wahren Absichten ihres neuen Gatten zweifeln und vermuten, dass in dem Haus ein schreckliches Geheimnis schlummert.

"Crimson Peak" ist einer der Filme, die durch fehlgeleitetes Marketing an die Wand gefahren wurden. Einerseits wurde mit Guillermo del Toro ein namhafter Regisseur benannt, dann wurde noch mit Tom Hiddleston und Mia Wasikowska geworben und - last but not least - wurde der Film als das verkauft, was er nun überhuapt nicht ist: als Horror-Fantasy-Thriller. Selber schuld, wer da enttäuscht ist und sich unerfüllten Erwartungen hingab, anstatt dem tatsächlich gezeigten Film.


Denn "Crimson Peak" ist eine meisterhaft auf Leinwand gebrachte Stimmung. Sehr schöne Bilder und eine insgesamt schöne mystische Atmosphäre. Ein Gruselmärchen, eine romantische Regung, eine undefinierbare Angst. "Etwas" nicht zu beschreibendes. Hier wirkt das Unterbewusste, sofern man es lässt. Unter großartigem Design, Kostümen und Farben versteckt sich dieses Etwas und wartet auf seine  Entdeckung. Nichts, was auf dem cineastischen Silbertablett serviert wird, sondern etwas, was im eigenen Müll zu suchen ist. Etwas, das zwischen den gezeigten Bildern schwelt, rumort und brodelt. Etwas, das immer wieder durchbricht, alles ausfüllt, sich dann zurückzieht und eine merkwürdige Leere zurücklässt. Wie ein Gedanke, der nicht in Worte zu fassen ist. Wie eine böse Ahnung, die sich als unheilvolle Decke über die nackte Geschichte legt. Etwas, das hinter all der visuellen Pracht nur fühlbar da ist. Wie ein Geist, eben, der einen heimsucht. Und eine Verbeugung von del Toro vor Edgar Allan Poe, der diese Geschichte nicht besser hätte beschreiben können.


Hätte man dies kommuniziert, würde der Film besser funktionieren. Allerdings brauchte er eine gehörige Anlaufzeit, die zwar notwendig für die Einführung der späteren Handlung und die Motivation der Charakter, aber auch einfach zu lang und daher beinahe interessenlos ist. In der zweiten Hälfte weiß der Film dann wesentlich besser gefallen. Setdesign, Atmosphäre und Optik sind durch die Bank weg super und man entdeckt in jedem Winkel ein Stück von del Toro selbst. Das ist stark und fördert einen märchenhaften Alptraumcharakter.

Die Story hingegen ist nichts Besonderes und worauf manche Sachen hinauslaufen würden war eigentlich schon von Beginn an klar. Doch "Crimson Peak" transportiert eben etwas anders das Unsichtbare, visualisiert das Unaussprechliche, verschmilzt den eigenen Film mit demjenigen auf der Leinwand und springt einem an die gefühlsmäßige Gurgel. Es ist dieses teuflische Rückgrat, das del Toro mal wieder grade zu biegen versteht. Das knackt kurz mal eben, schmerzt nicht sonderlich, wirkt aber lange nach. Lediglich fragt man sich zum Schluss, warum dann die teilweise sehr gruseligen/schrecklichen Geister überhaupt nötig waren, denn die Story hätte so oder so auch ohne sie funktioniert.

7/10

Von UNIVERSAL PICTURES im limitierten Steelbook erschienen:

Dienstag, 23. Februar 2016

Cannibal Holocaust - Nackt und zerfleischt (1980)

http://www.imdb.com/title/tt0078935/

Die Handlung des schockierenden Abenteuerfilms "Nackt und zerfleischt" spielt im dichten, noch unerforschten Dschungel Südamerikas. Ein TV-Reporterteam hat sich in die "Grüne Hölle" gewagt, um möglichst sensationelle Bilder von den dort lebenden Kannibalenstämmen einzufangen. Ihre Expedition wird zu einer Abfolge schreckenerregender tödlicher Erlebnisse, in deren Verlauf die Team-Mitglieder sich zu Brutalitäten hinreißen lassen, die den der Eingeborenen nicht nachstehen. Schließlich kommt es zu einer letzten, grauenvollen Auseinandersetzung zwischen Eindringlingen und Indios...

Als Zuschauer wird man erstaunlicher Weise herzlich warm in der "Grünen Hölle" willkommen geheißen, so klimpert Riz Ortolanis fröhlicher Score zu wunderschönen Luftaufnahmen des Amazonas und man könnte glatt meinen man sitzt im falschen Film, wenn nicht wenige Minute später ein Szenerienwechsel stattfinden würde. Denn kurze Zeit darauf machen wir Bekanntschaft mit den Bewohnern des Urwalds...

Statt nur einen gewöhnlichen Kannibalenfilm bekommt man in "Cannibal Holocaust" scharfe Gesellschaftskritik geboten. Es ist sicherlich richtig, dass die Methoden, die für die Produktion dieses Films teilweise genutzt wurden, moralisch schon sehr fragwürdig sind. Wenn man das aber für die Spieldauer beiseite schieben kann bekommt man hier einen verdammt intensiven, authentischen und vor allem unangenehmen Film zu sehen, der auch abseits seiner so oft expliziert kritisierten Szenen zu schockieren weiß. Der Film ist von vorne bis hinten darauf gepolt, realistisch zu wirken. Das schafft er auch ziemlich gut. Die Dschungel-Atmosphäre ist hervorragend und sorgt für ein unangenehmes Gefühl der ständigen Bedrohung, womit klar ist, dass der Regisseur ziemlich genau wusste, was er tut und welche Bilder er transportiert haben will. Der Doku-Kamera Stil wurde nie wieder so authentisch rübergebracht. Nur aus der technischen Sicht kann man "Cannibal Holocaust" also irgendwie doch als Meisterwerk ansehen. Der Film wirkt so realistisch dass es weh tut.

Die Dramaturgie hält dieses hohe Niveau leider nicht. Der Verlauf der Handlung ist öfters völlig unkoordiniert, viele Szenen sind zu lang, andere hingegen zu kurz und stellenweise führt das zu Ablenkung. Man weiß einfach nicht so recht wo der Film hin will und das Verhalten des Filmteams führt das ein doer andere Mal zu Unverständnis, obwohl man sich nicht sicher sein kann, ob der Regisseur nicht genau erreichen wollte. Aber die durch das Jungle-Setting, die Handkamera-Optik und die sehr starken Gore-Effekte erschaffene Realität und die damit einhergehene Intensität des Gesehenen stellen das größtenteils allenfalls durchschnittliche Schauspiel sämtlicher Darsteller absolut in den Hintergrund. "Cannibal Holocaust" ist in seiner Machart so gesehen kein schlechter Film. Er hat gute Effekte und einen sehr guten Soundtrack. Er ist sehr packend und schockierend und daher fällt meine Wertung entsprechend objektiv aus. 

7/10

Als "Limited Edition" und auf 1500 Stück limitiert erschien der Film von XT VIDEO in HD im Mediabook mit 76(!)-seitigem Booklet, welches ausführliche Informationen rund um diesen kontroversen Film enthält:

Montag, 22. Februar 2016

Dawn Of The Dead (2004)

http://www.imdb.com/title/tt0363547/

Die Toten sterben nicht mehr. Ein grausiger Virus macht die Menschen zu hirnlosen Zombies, die nun Amerika bevölkern und die wenigen noch Lebenden bedrohen. Ein paar von ihnen verbarrikadieren sich auf ihrer verzweifelten Suche nach einem sicheren Ort in einem Kaufhaus. Darunter sind Ana (Sarah Polley), Luis (Louis Ferreira), Kenneth (Ving Rhames) und Andre (Mekhi Phifer). Gemeinsam versuchen sie, die Zombies nicht ins Kaufhaus kommen zu lassen und sich beim Überlebenskampf ein Stück Menschlichkeit zu bewahren. Beides gelingt nicht lange. Schon recht früh muss sich die Zweckgemeinschaft mit dem militanten Wachpersonal auseinandersetzen, dessen Mitarbeiter sich der Gruppe zwar anschließen, aber sich deswegen keinesfalls unterordnen, was immer wieder zu Reibungen führt. Als dann auch noch weitere Flüchtlinge und noch mehr Zombies eintreffen, eskaliert die Situation.

Mit Zack Snyders Remake von "Dawn Of The Dead (1978)" ging im Prinzip der ganze Zombie-Hype der letzten Jahre los. Und dabei bietet die Neuauflage von Romeros Klassiker nun wirklich nichts Neues, im Gegenteil. Quasi wortwörtlich wird die Handlung des 78er Klassikers nacherzählt. Es gibt kaum Abweichungen, nur wenig Innovation (von den Effekten mal abgesehen) und damit sollte der Film ja schon on der Versenkung verschwunden sein. Sollte. Falsch gedacht. Irgendwie schafft es der Streifen, genauso beklemmend und spannend zu sein wie das Orginal, ohne großartige Veränderungen in punkto Story, Charaktere oder gar Finale zu bringen. Will man das Remake unbedingt mit dem Original vergleichen, ist zu konstatieren, dass es der Neuverfilmung zwangsläufig an Originalität mangelt – aber das ist ja ein grundsätzliches Problem von Remakes, wenn man es denn zum Problem machen will. Romeros zeitgenössischer Subtext ist natürlich vollständig weggewischt, aber auch das ließ sich ein Vierteljahrhundert später nun mal nicht vermeiden.

Aber es gibt auch Unterschiede. Die Gewaltdarstellungen vom neuen "Dawn Of The Dead" sind zeitgemäß. Von zerschossenen Köpfen, aufgebissenen Halsschlagadern bis zu abgetrennten Gliedmaßen ist hier alles dabei. Völlig verzichten muss der Hardcore-Splatterfan aber auf das genüssliche Ausweiden menschlicher Opfer und das Verspeisen der Organe, was George A. Romero 1978 speziell während des Schluss-Kampfes von "Dawn Of The Dead" oftmals minutenlang in gnadenlosen Aufnahmen zeigte. Vorbei ist auch die Zeit der langsamen u. dummen Untoten. Im Remake sind die Filmzombies wesentlich schneller und stärker. Sehr gelungen und derbe unterhaltsam ist hier die Mischung aus Blutbad, Spannung, Action und zynischem Humor. Einen sehr guten Job macht hier die überaus hübsche und talentierte Sarah Polley als Hauptfigur und allein sie schon macht "Dawn Of The Dead" zu einem richtig guten Film, den man sich auch des öfteren anschauen kann. Er ist keineswegs immer logisch, aber durchweg unterhaltsam. Eine klare Empfehlung.

7,5/10

Von BIRNENBLATT erschien der Film in einem limitierten Mediabook inklusive Booklet, Kinoversion und Unrated Director's Cut:

Sonntag, 21. Februar 2016

Raw Deal - Der City Hai (1986)

http://www.imdb.com/title/tt0091828/

Chicago wird brutal von der Mafia kontrolliert. Bei einem hinterhältigen Attentat gibt es zahlreiche Tote. Der Chef des FBI, dessen Sohn auch unter den Opfern ist, sieht keine andere Möglichkeit und holt seinen kaltblütigsten Mann zurück: Mark Kaminski (Arnold Schwarzenegger), ein skrupelloser Top-Agent, der es mit den Vorchriften nicht so genau nimmt und wegen allzu harter Ermittlungsmethoden vom Dienst suspendiert wurde. Als Gangster getarnt schleust sich der Einzelkämpfer in die Organisation ein. Hilfe von außen kann er nicht erwarten, da sein Auftrag streng geheim ist. Zunächst scheint alles glatt zu laufen, und Kaminsky kann das Vertrauen der Mafiosi gewinnen. Doch dann fliegt seine Tarnung auf...

Für einen Actioner ist eine tiefsinnige Story nicht unbedingt zwingend erforderlich, sofern denn die in diesem Genre nun einmal zwangsläufig im Vordergrund stehenden Action-Szenen überzeugen können. Und "Raw Deal" hat eigentlich auch alles was ein 80er Jahre Actionfilm benötigt: eine bei den Haaren herbeigezogene Handlung, dumme Gegner und natürlich Arnold Schwarzenegger. Der Film hat und ist eigentlich nichts Besonderes aber irgendwie hat er einen Charme, der einfach gut ankommt. Leider schleppt sich die Story etwas sehr dröge dahin.

Dabei sind die Gegner recht gut besetzt, allen voran mit Robert Davi, der "All-Time-Bösewicht", der mit seinem fiesen Aussehen allein schon auf sich aufmerksam macht. Schade nur, dass Sam Wanamaker hier in seiner letzten guten Rolle zu sehen war, alles was danach folgte war mehr oder minder auf B-Movie-Niveau und dies ist insofern verwunderlich, da er hier als Oberschurke Luigi Patrovita sehr überzeugend auftrat. Arnie selbst wirkt als neuestes Mitglied der Mafia-Familie 'leicht' übertrieben, da können auch die Zigarren nichts dran ändern. Häufig ist der Schuss Selbstironie erkennbar, auch Witz ist vorhanden, der leider aber nur bei einem von drei Malen zündet.

Bis dahin hätte der "City Hai" vielleicht irgendwas im Bereich einer 4er-Wertung bekommen, doch dann kommt die letzte Viertelstunde. Wenn Arnold in seinem Feinripp-Unterhemd seine Ausrüstung zusammenpackt, in den Spiegel guckt, in sein Cabrio steigt und dann spätestens, als er die Rolling Stones Kassette mit "I Can't Get No Satisfaction" einlegt, ja, spätestens dann hat man ein breites Grinsen im Gesicht. Die komplette Cabrio-Kieswerk-Stones Szene ist alleine schon 2 Punkte wert. Danach räumt der ehemalige Mr. Universum noch die komplette Familie auf und endlich bekommt das, was man erwartet hat. Zwar spät, aber es kommt noch. Die Schlußsegmente retten den spröden Mittelteil, so dass "Raw Deal" doch noch ein ganz ordentlicher 80er Schwarzenegger-Streifen geworden ist, kein herausragender, aber ein guter.

6,5/10

Von '84 Entertainment gab es den Film in HD im auf 666 Stück limitierten Mediabook.

Samstag, 20. Februar 2016

Artificial Intelligence: AI - A.I.: Künstliche Intelligenz (2001)

http://www.imdb.com/title/tt0212720/

Auch wenn er so aussieht wie in ganz normaler Junge ist er das ganz und gar nicht, denn unter der Oberfläche von David (Haley Joel Osment) steckt ein Roboter. Der Kind-Androide ist der erste seiner Art, der darauf programmiert wurde, Liebe zu empfinden. Für das Ehepaar Swinton (Sam Robards, Frances O’Connor), dem Schöpfer Dr. Hobby (William Hurt) seinen Prototyp anvertraut hat, soll David die Chance sein, das Trauma um ihren ins Koma gefallenen Sohn Martin (Jake Thomas) zu überwinden. Aber einmal geprägt, ist die Verbindung von David zu seiner neuen Mutter nicht rückgängig zu machen. Als Martin überraschend ins Leben zurückkehrt, gibt es Probleme. David ist praktisch überflüssig geworden und Martin furchtbar eifersüchtig auf seinen "Bruder". Er provoziert dessen Ausstoßung, Mutter Monica setzt das Roboter-Kind schlechten Gewissens im Wald aus. Unfähig, die Zusammenhänge zu erkennen, hat David fortan nur noch ein Ziel: Er will ein echter Junge werden, um die Liebe seiner Mutter zurückzugewinnen. Zusammen mit dem unter Mordverdacht stehenden Sex-Roboter Gigolo Joe (Jude Law) und Supertoy Teddy steht ihm eine Odyssee bis zum Ende der Menschheit bevor...

Ursprünglich war dies ein Filmprojekt von Stanley Kubrick, das er aber schon vor seinem Tod an Steven Spielberg übergeben hatte. Man merkt dem Film ab einem bestimmten Punkt schon an, dass Spielberg nach besten Kräften versucht hat den Film so zu machen, wie Stanley Kubrick es gern getan hätte. Doch obwohl ich Steven Spielberg für einen besten Regisseure des kommerziellen Filmbetriebs halte, ist er eben doch kein zweiter Kubrick. Unter dessen Kommando wäre "A.I." ein wesentlich düsterer und weniger märchenhafter Film geworden. Die Beziehungen zwischen den Charakteren wären vermutlich weniger ausführlich dargelegt worden, stattdessen hätte sich Kubrick wohl mehr auf das letztlich erfolglose Streben Davids danach Menschlicher zu werden konzentriert.

"A.I." beginnt zunächst grandios und fesselt sofort, denn diese moderne Variante von "Pinocchio" liefert einen mehr als überzeugenden philosophischen Einstieg. Zum Ende hin ist "A.I." dann aber doch etwas zu kitschig geworden und dazu wenig gelungen, spiegelt es doch zum wiederholten Male Spielbergs unstillbare Affinität für außerirdisches Leben wieder. Lediglich die Idee dahinter ist glaubhaft, auch das unter dem ewigen Eis begrabene New York ist visuell unheimlich eindrucksvoll dargestellt. Und als gesagt wird, dass David geschlagene zweitausend Jahre unter dem Meer vergeblich darauf wartete, dass die "blaue Fee" ihm seinen Lebenswunsch erfüllen würde, ist ein gelungener Gänsehautmoment. Die ganze Tragik seiner Suche wird hier deutlich. Dass es für dann letztlich doch so eine Art Happy End gibt, mag manchem etwas sauer aufstoßen, aber man kann es mögen. Die Hauptrolle ist mit Haley Joel Osment mehr als gut besetzt, der Kleine spielt fantastisch und (vor allem) glaubhaft, weiß den Zuschauer sofort für sich zu gewinnen und man kommt nicht umhin, David umgehend ins Herz zu schließen. Auch Jude Law als Gigolo Joe spielt eine der besseren Rollen, wenngleich die beiden Pflegeletern mit Frances O'Connor und Sam Robards zwar gut spielen, aber auch wieder so belanglos sind, dass man sie eigentlich sofort wieder vergisst.

Unterm Strich ist "A.I." ein etwas zu lang geratener, oft viel zu sentimentaler, aber optisch beeindruckender und exzellent gespielter Tränendrücker geworden, wie man es von einem Spielberg nicht anders erwartet hätte. Doch unter der Regie von Stanley Kubrick, hätte er zu einem echten Meisterwerk des Science-Fiction Genres werden können. Schade das wir die Vision des Meisters nie zu Gesicht bekommen werden.

7,5/10

Dienstag, 16. Februar 2016

Blue Ruin (2013)

http://www.imdb.com/title/tt2359024/

Dwight (Macon Blair) ist ein Rumtreiber. Nachts bricht er in Häuser ein, deren Besitzer sich im Urlaub befinden, schläft öfter dort und benutzt die Bäder. Die meiste Zeit verbringt er jedoch in einem kaputten, rostigen Autowrack am Strand. Auch wenn es das Leben nicht ganz so gut mit dem Landstreicher meint, hat sich Dwight mit seiner Situation arrangiert – bis eines Tages die Polizistin Eddy (Sidné Anderson) bei ihm vorbei schaut. Die ist nicht etwa wegen der kleinkriminellen Vergehen Dwights gekommen, sondern will ihn beim Erhalt einer Nachricht begleiten: Der Mörder seiner Eltern, Wade Clelands (Sandy Barnett), wird nach 20 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Dwight packt der unwiderstehliche Drang, erduldetes Unrecht auszugleichen. Er macht sein Auto wieder fit und entfesselt eine Welle der Gewalt, die er bald nicht mehr unter Kontrolle hat...

Was passiert eigentlich wenn der normale Ottoverbraucher mit Familientragödie in der Vergangenheit nicht klarkommt und versucht alles wieder gerade zu rücken, dabei aber scheitert?

Für einen Film, der über Kickstarter finanziert wurde und am Ende mit einem Budget von immerhin 420.000 Unterstützungs-Dollar aufwarten konnte, ist er grandios. Ohne grosses Drumherumgelaber wird hier eine geradlinige Revenge-Story präsentiert, die sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält, sondern das Wwesentliche in den Vordergrund rückt. Das ist eine "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Thematik, die zu keiner Sekunde irgend einen biblischen Hintergrund predigt. Kein Stereotyp-Protagonist oder Actionheld, der 20 Leute umnietet und sich selbst, ohne eine Miene zu verziehen, fünf Kugeln einfängt. Nein, Dwight ist der absolute Antiheld und so gesehen auch eigentlich ein Otto-Normal-Bürger, der selbst nicht so recht weiß, was er da eigentlich macht. Kein grosser Soundtrack, keine übermenschlichen Figuren, keine bedeutungsschwangeren Dialoge.

Hier wirkt alles etwas gemächlicher. Zunächst, denn der Streifen hat eine enorm dichte Atmosphäre vorzuweisen, die einen extrem heftigen Sog und mitunter eine ungeheuer hohe Spannung entwickelt. Gemischt wird diese Spannung mit ein paar wenig gut gesetzten, aber sehr heftigen Gewaltspitzen. Und überhaupt: glaubwürdig gespielt. Super gefilmt. Grossartige Regie. Sehr elegische, ruhige Bilder, die sich abwechseln mit Explosionen der Gewalt machen aus "Blue Ruin" somit einen wahnsinnig guten Thriller, der die Untiefen von Rache und Gewalt mehr auslotet als so manch anderer Film dieser Art.

7,5/10

Montag, 15. Februar 2016

[KINO] Deadpool (2016)

http://www.imdb.com/title/tt1431045/

Wade Wilson (Ryan Reynolds) ist Soldat in einer Spezialeinheit und Söldner. Als er von seiner Krebserkrankung erfährt, unterzieht er sich einem riskanten Experiment im Labor des skrupellosen Ajax (Ed Skrein), das ihn heilen und in einen Supersöldner verwandeln soll. Doch den Preis für sein Überleben bezahlt Wilson am Ende mit schweren Qualen und körperlicher Entstellung. Getrieben von Rache und durch Selbstheilungskräfte nahezu unsterblich geworden, schlüpft Wade Wilson in einen rot-schwarzen Anzug mit Maske und versucht als "Deadpool", seine Peiniger auszuschalten. Die offensichtlichsten Unterschiede sind sein pechschwarzer Humor, sein bissiges Mundwerk und seine Angewohnheit, sich direkt ans Filmpublikum zu wenden. Aber damit gefährdet er seine große Liebe Vanessa, die er nach seiner Verwandlung voller Scham aus seinem Leben verbannte... 

Mit seinem ersten cineastischen Auftritt in "X-Men Origins: Wolverine" hatte sich "Weapon X"/"Deadpool" nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der ebenfalls von Ryan Reynolds (und später von Scott Adkins als "Weapon X"/"Deadpool") verkörperte Supersoldat Wade Wilson hatte gegen Wolverine einfach nicht die richtigen Fan-Autoren, so hatte man zumindest das Gefühl. Denn einerseits wurde dem "Merc with a mouth" die große Klappe zugenäht (ein faux-pás allererster Kajüte), andererseits wurde die Figur nicht wirklich korrekt gezeichnet und auch viel zu schnell, ja beinahe vorschnell, verheizt.

Nun, rund 7 Jahre später nahm Tim Miller auf dem Regiestuhl Platz und liefert mit "Deadpool" sein abendfüllendes Regiedebüt. Und was für eins. Robert Kirkman, Schöpfer der "Walking Dead"-Comics, Produzent der zugehörigen TV-Serie und Ehrengast eines Vorab-Screenings von "Deadpool", hatte absolut recht: "Der Film hat die beste (Anfangs-)Credits-Sequenz, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Du weißt von der ersten Minute an, dass es ein köstlicher Film wird." Richtig. Denn diese erste Minute, unterlegt mit "Angel Of The Morning" von Juice Newton, ist die konzentrierte Essenz der Einhundertundfünf, die folgen werden: exzessive, comichafte Gewalt, garantierte Political Incorrectness, Selbstironie, Fourth-Wall-Breaks (Gespräche mit dem Publikum), ungezähmte Gags. "Deadpool" ist nicht jugendfrei und kostet diesen Umstand bis zum letzten Kunstbluttropfen und dem hämischsten Lacher aus. 

Mit "Deadpool" hat man jedenfalls eine erfrischende Abwechslung zum generischen Genre-Einheitsbrei geschaffen, ohne jedoch zu sehr aus dem Raster zu fallen. Auch lässt sich der Film zu Glück sehr viele Freiheiten, ist äußerst vulgär und zur Abwechslung auch mal richtig brutal. Alles andere hätte hier auch gar nicht gepasst. Wade Wislon, "Deadpool", kommt nun einmal aus der Schmuddelecke der Marvel-Comic-Universums. Dreckig, düster, zotig und irgendwie auch frei von den sonst so hochgelobten Regeln, nach denen im Grunde jeder der einzelenen "Marvel Cinematic Universe" ("MCU") - Charaktere sonst lebt. Seit 1997, als er von Joe Kelly und Ed McGuinness seine erste eigene Heftserie im erweiterten Kosmos der "X-Men" erfunden wurde, treibt dieser politisch unkorrekte Spinner mit Hang zum Splattern sein Unwesen in den Comics und wurde bald zu einem seltsamen Liebling der Fans. Ungeniert lassen Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick Köpfe explodieren, amüsieren mit Schmähs härtester Gangart, zerbeulen die vierte Wand konsequent mit der Abrissbirne und sparen weder mit Selbstironie noch Genrekritik. Bei einem anderen Marvel-Helden würde das womöglich plakativ und aufgesetzt wirken, zu "Deadpool" passt es wie die Faust aufs Auge.

Die grundsätzliche Story von "Deadpool" ist - und das war irgendwie zu erwarten - nicht neu und auch kein Meisterwerk und will dies auch gar nicht sein. Sie ist eben eine Origin-Story und muss dementsprechend gewisse Standards erfüllen, funktioniert aber dennoch, weil sie sich dann doch in einem ausreichendem Maße ernst nimmt, sodass sie nicht zu einer Farce verkommt. Das wirkt dann zwar ein wenig seltsam, angesichts des sonstigen Gag-Dauerfeuers, ist aber auch keine Spaßbremse. Die Dramaturgie verträgt sich dabei mit dem deftigen Humor und den Verweisen auf reale Gegebenheiten nicht immer Hunderprozentig perfekt, funktioniert aber im Großen und Ganzen sehr gut. Durcheinander wirbeln hier auch Popkulturzitate, Film-, sowie Insider-Gags, die das Genre der Comicverfilmungen und seine pathetischen Motive immer wieder vorführen, ohne es zu denunzieren. Und damit ist "Deadpool" vor allem eines: eine riesengroße Spaßgranate. Die Action ist sehr gut choreografiert und macht vor allem in den Slow-Mo-Szenen eine Menge Spaß. Die Nebencharaktere mit dem aus "X-Men" bekannten 'Colossus' (Stefan Kapicic) und der etwas weniger bekannten 'Negasonic Teenage Warhead' (Brianna Hildbrand) sind gut besetzt und sorgen für die nötige Bodenständigkeit. Einzig die Zeichnung des Bösewichts 'Ajax' (Ed Skrein) fällt nicht sonderlich clever aus, passt aber auch irgendwie zur in sich labilen Figur "Deadpool". So gesehen ist er zwar einfach nur "der Böse" ohne viel zu erklären oder zu hinterfragen. Andererseits ist die Hauptfigur schon so herrlich differenziert dargestellt, dass der Film schlicht und ergreifend überladen wirken würde, hätte man den Bösewicht auch auf ein solches Niveau gesetzt. Besondere Erwähnung verdient noch T.J. Miller als Weasel, der - genau wie Deadpool - den einen oder anderen zum Brüllen gelungenen Gag von sich gibt.

Insgesamt ist also der herrliche Humor, welcher häufig mit der Meta-Ebene spielt ohne dabei plump zu wirken, der größte Trumpf des Films. Die Schauspieler (vor allem natürlich Ryan Reynolds) wirken durch die Bank weg gut gelaunt und bringen die flapsigen Sprüche perfekt rüber. Ehrlichweise hätte man das Reynolds gar nicht mehr  zugetraut, aber er scheint mit "Deadpool" endlich seine Rolle im Superhelden-Universum gefunden zu haben. Nach seinem unrühmlichen Auftritt als Hal Jordan als titelgebende Figur in "Green Lantern" (darauf gibt es eine geniale Anspielung im Film) und dem zum Fremdschämen dumme Charakter Hannibal King in "Blade: Trinity", der noch mehr genervt hat als ein Ausschlag am Allerwertesten, kann Reynolds hier ironischerweise mit ebenjenen blöden Sprüchen punkten.

"Deadpool" ist so genau der Film geworden, den man sich als Fan erhofft hat. Vor allem aber ist er ein sehr wichtiger Film für das Superhelden-Genre, denn endlich wurde gezeigt, dass auch eine härtere Adaption eines Comics wunderbar funktioniert und sehr gut aufgenommen wird. Denn "Deadpool" ist ein herrlich bescheuerter, derber "Superhelden"-Film, welcher mit seinem enormen (Gag-)Tempo durchweg für Unterhaltung und gute Laune sorgt, ohne Handlung und Charaktere zu sehr aus den Augen zu verlieren. Mit winzig kleinen Abzügen also eine perfekte Umsetzung des Comics. Das Resultat: Best. Comicmovie. Ever. Und fest steht, dass der Film in Zeiten der Comic-Movie-Ära, in der die Studios an Zehnjahresplänen feilen und mit PG-13-Franchises Milliarden scheffeln, nicht nur eine willkommene Abwechslung darstellt, sondern auch Hoffnung macht: Auf wildere, fiesere, bessere Superhelden.

Eigentlich 12/10.

9/10

Passend zum Anti-Helden gibt es von TWENTIETH CENTURY FOX ein tolles Steelbook mit Prägung auf Vorder- und Rückseite.


Quellen:
Inhaltsangabe: Twentieth Century Fox / Marvel

Samstag, 13. Februar 2016

Sicario (2015)

http://www.imdb.com/title/tt3397884/

Die Grenze zwischen Mexiko und dem US-amerikanischen Bundesstaat Arizona ist schon seit Jahren vom Drogenkrieg geprägt. Die junge FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) schließt sich einer internationalen Einsatztruppe an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem lokalen Drogenhandel endlich Einhalt zu gebieten. Doch schon ihr erster Einsatz in dem gefährlichen Grenzgebiet läuft völlig aus dem Ruder, als die Überführung eines Gefangenen in einem brutalen Hinterhalt endet. Mit der Hilfe des ebenso geheimnisvollen wie erbarmungslosen Söldners Alejandro (Benicio Del Toro) kommt Kate aber mit dem Leben davon. Bei der nächsten Operation trifft sie wenig später erneut auf Alejandro und seine Spezialeinheit, die jedoch, wie ihr bald klar wird, ganz eigene Ziele zu verfolgen scheinen. So dauert es nicht lang, bis die Grenzen zwischen Freund und Feind verwischen und Kate sich mehr und mehr fragt, wem sie eigentlich noch vertrauen kann.

Mit Denis Villeneuve hinter der Kamera durfte man sich schon vor der Sichtung des Films sicher sein, dass die kriegsähnlichen Zustände an der Grenze zwischen den USA und Mexiko einigermaßen differenziert dargestellt werden. Immerhin gibt es schon diverse Filme, die sich mit der Thematik auseinander gesetzt haben. Und tatsächlich gelingt es Villeneuve, dank seiner außerordentlichen Inszenierung, vielen denkwürdigen Szenen, die durch den eindringlichen Soundtrack noch an Intensität gewinnen und einem herausragenden Darstellerensemble Akzente zu setzen. "Sicario" ist in diesem Sinne Realität, die ausgeblendet wird und Alptraum, der nicht wahr sein kann. Dieser Film ist eine entsicherte Waffe, erzählerisch zwar simpel, aber moralisch komplex. Denn es geht um Geister, die töten dürfen, ohne dass man überhaupt von ihnen weiß. Und um eine FBI-Agentin, die glaubt, den mexikanischen Kartell-Gefechten gewachsen zu sein. Das ist zunächst kaum dramaturgisch, dafür aber atmosphärisch überwältigend. Später auch in der Art und Weise, wie Charaktere Verzicht und Austauschbarkeit suggerieren, dabei dann empfindlich menschlich wirken, weil Nebencharaktere sich zur Seele des Films steigern, während die Beantwortung der Frage nach dem klassischen Motiv der Heldenreise für andere pessimistisch beantwortet wird.

Gerade die drei Charaktere Josh Brolin, Benicio del Toro und Emily Blunt, die mehr oder minder plakativ jeweils für eine Position figurieren, aber jeweils für sich alleine stehend wohl zu einer Katastrophe führen würden, machen durch ihre Zusammenarbeit das große Dilemma der Zustände in Mexiko greifbarer. Roger Deakins grenzamerikanische Sonne blendet den Zuschauer, seine unheilvollen mexikanischen Gewitterwolken überrollen ihn, die Darstellung von Blunts Kate Macer berührt ihn. Dabei stellt sich am Ende trotzdem die Frage, ob Macer entgegen des Offensichtlichen vielleicht sogar als Sieger das Feld verlässt, kommt sie doch nie vom Kurs ihres moralischen Kompasses ab. Blunt steht dabei für die moralische Instanz und ist somit auch Mittelpunkt, als auch Identifikationsfigur für den Zuschauer. Einmal mehr beweist Blunt dabei eine große Wandlungsfähigkeit, bei der sie sich hier auch neben den rau geschriebenen Männerrollen bewährt. Sie arbeitet wie so vieles in diesem Film ohne viel Gerede, viel mehr über Äußerlichkeiten. Wobei das Schauspiel-Trio klar von Benicio del Toro angeführt wird, der als Tier in Menschengestalt die Zerrissenheit einer komplett ausweglosen Gewaltspirale symbolisiert. Der beige Anzug lässt ihn anfangs fast schon galant wirken, was neben Brolins zynischen Sprüchen der größte Witz des Films ist, denn eines ist klar: dieser Dämon kommt von ganz oben und ist tief gefallen.

Genauso wie der meist unsichtbare Feind, und wenn er dann auftaucht, dann nur als Teil eines noch größeren Übels. Es ist ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen, die von gesichtslosen Superreichen betrieben, von Autor Taylor Sheridan geschrieben wurden. Der Kampf dreht sich mehr um Leid, als um Schuld. Und aus Sicht von Villeneuve darum, diesen mit einem pumpenden, niederwälzenden Sound von Johann Johannsson in zwei atemlose Filmstunden zu pressen, die viel zu brachial ausfallen, um Gefangene zu nehmen. Die sich mit bedrohlicher Unaufhaltsamkeit durch Tunnelsysteme und ethische Grundsätze graben.
Villeneuve schenkt dem Zuschauer wieder mal einen Abgrund voller entstellter Körper, von denen man nur den Privilegiertesten den Tod äußerlich ansieht. Ein Thriller, desillusionierend in seiner Konsequenz, von dem man sich wünscht, er würde viel weniger berühren.

8,5/10

Firestarter - Der Feuerteufel (1984)

http://www.imdb.com/title/tt0087262/

Andrew (David Keith) und Vicky McGee (Heather Locklear) lernten sich auf dem College kennen. Damals stellten sie sich beide als Versuchskaninchen für medizinische Experimente zur Verfügung. Die beiden verliebten sich und heirateten und bekamen eine Tochter. Doch was sie nicht ahnen: Die Substanz, die ihnen damals bei dem Experiment verabreicht wurde, bewirkte die Entwicklung übersinnlicher Fähigkeiten. Und ihre Tochter scheint diese Begabungen geerbt zu haben – in verstärkter Form. Die kleine Charlie (Drew Barrymore) hat die Fähigkeit, Feuer durch bloße Gedankenkraft entflammen zu lassen. Dieses Talent bleibt auch der Regierung nicht verborgen. „Das Institut“, ein dubioser Geheimdienst will Charlie in Quarantäne setzen, um ihre Kräfte zu studieren. Captain Hollister (Martin Sheen), der Chef der Behörde, setzt einen skrupellosen Kidnapper (George C. Scott) auf Charlie an...

Der Film basiert auf Stephen Kings "Firestarter" von 1980 und kleine Mädchen sind ja immer für Horrorfilme gut; das war vor gut 30 Jahren nicht anders als jetzt. Die Besetzung mit Drew Barrymore erwies sich als kluger Schachzug des Regisseurs Mark L. Lester, jedoch ist das Drehbuch äußert schwach. Man bekommt den Eindruck, dass Barrymore, als putzig-süß-zorniges Anti-Wunderkind idealbesetzt, durch übermäßige Pyromanie in insgesamt überlanger Dimension von Schwächen in puncto Spannung und Storyline ablenken soll. Der Cast spielt hingegen durch die Bank sauber-solide bis herausragend, wobei letzteres nur auf George C. Scott's Charakter zutrifft, denn er setzt Markenzeichen der Undurchschaubarkeit, des unterschwelligen Bösen und des getrieben-besessenen Wahnsinns. Fesselnd und spannend ist indes diese Geschichte nicht. Die Tricktechnik ist ganz passabel, wenn auch zu oft mit dem Feuer gespielt wird, bemerkenswert ist die Wandlung des Films in Sachen Fokussierung zu nennen, nämlich von Kontrolle und Macht der übermenschlichen Fähigkeiten auf (Anti-)Werte wie Zusammenhalt, Besessenheit, Liebe und Angst. Dies hätte jedoch subtiler und nicht gar so plump und offensichtlich herausgearbeitet werden müssen.

6/10

Von NSM erschien der Film erstmals in HD im Mediabook:


Quellen
Inhaltsangabe: NSM
Poster/Artwork: Universal Pictures